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trieben hemmt und die Ausfuhr immer relativ vermindert.
Diese normale Entwicklung wurde noch verschärft durch
die abnormale Lage unseres Staatsbudgets, nach dem wir
Zinsen in immer steigender Höhe ins Ausland zahlen müssen.
I Die Zahlungsbilanz.
Die Handelsbilanz ist indessen nur der erste der Maß
stäbe zur Beurteilung der wirtschaftlichen Lage unseres
Landes. Der zweite Maßstab ist unsere Zahlungsbilanz,
welche gleichsam die Kassenrechnung unserer Volkswirtschaft
darstellt. Für diese Rechnung sind freilich die Geldeingänge
für die Warenausfuhr und die Gcldausgänge für eingeführte
Waren bestimmend. Doch kommen noch andere Umstände in
Betracht. Zunächst der Zinsenverkehr. England bezieht Jahr
für Jahr ungeheure Geldsummen aus dem Ausland als
Zahlung für die im Ausland angelegten Kapitalien. Der
Kontinent, Aegypten, Indien, die ganze Welt führen ge
waltige Zinsen nach London ab. Andere Länder, wie Rußland,
schicken Jahr für Jahr große Summen von Schuldzinsen
nach Frankreich. Das ist ein Faktor, der die Zahlungsbilanz
eines Landes beeinflußt und die Kassenergebnisse des Waren
verkehrs verschiebt. In manche Länder wird viel Geld gebracht
durch den Fremdenverkehr, wie in die Schweiz, in andere
durch Rücksendungen von Auswanderern, wie nach Galizien
und Ungarn. Wir hatten früher unbestritten eine aktive
Zahlungsbilanz, schon weil wir eine dauernd aktive Handels
bilanz besaßen. Das ermöglichte uns auch die Valuta
regulierung durchzuführen. In den letzten Jahren ist erstens
unsere Handelsbilanz passiv geworden, dann haben wir
zweitens in dieser Zeit eine stets wachsende Staatsschulden
last uns aufgehalst, deren Schuldzinsen wir zum großen Teil
ins Ausland zu zahlen haben. Die Korrektur einer steigenden
Ausfuhr aber fehlt uns. Neben einer kleinen Erhöhung der
Einnahmen des Fremdenverkehrs haben wir dagegen nur
eine Aktivpost: die wachsende Summe, die die Auswanderer
zurücksenden. Dadurch wird aber unsere Volkswirtschaft
dauernd durch einen neuen, wirklich eigenartigen Export be
lastet: Wir exportieren nicht mehr Waren, sondern Arbeits
kräfte, und zwar nicht mehr so wie früher kulturlose Land
arbeiter, wir fangen an, unsere höchstqualifizierten Arbeiter
aus dem Lande zu treiben. Es vollzieht sich hier auf der Höhe
des zwanzigsten Jahrhunderts ein Menschenexpart ähnlich wie
im achtzehnten Jahrhundert, wo die Landesfürsten die tüch-