Full text: Die soziale Frage und der Sozialismus

I. 
Herrn Karl K au ts ky, 
Herausgeber der „Neuen Zeit". 
Berlin-Friedenau. 
Sehr geehrter Herr! 
Sie haben kürzlich in Ihrem Blatte ausgesprochen, daß Sie 
meinen Mut bewundern. Ich kann das Kompliment nicht an 
nehmen, da ich mir nicht bewußt bin, mehr getan zu haben, als 
mir meine Pflicht als Gelehrter vorschrieb, nämlich die Wahr 
heit zu suchen und zu sagen, auch wenn sie der anerkannten Lehr 
meinung der gewaltigsten Autorität widerspricht. Verehren Sie 
und ich unseren gemeinsamen Meister Marx nicht gerade aus dem 
Grunde, daß er diesen „Mut" gegen die Autoritäten seiner Zeit 
bewährte? Und ist dem Wahrheitssucher nicht gegen Marx erlaubt, 
was Marx etwa gegen Stuart Mill und Ricardo erlaubt war? 
Aber ich wünsche, mir das Kompliment zu verdienen. Und 
darum habe ich die Ehre, Sie zu ersuchen, daß Sie persönlich mit 
mir die Klinge kreuzen mögen. Bisher hat mich Ihr geschätztes 
Organ der richterlich-kritischen Bemühung von jüngeren Herren 
anvertraut, die außerhalb Ihres Kreises unbekannt sind und je 
denfalls keinen wissenschaftlichen Namen einzusetzen haben, wie 
Sie und ich. Was dabei herausgekommen ist, war gewiß subjek 
tiv von der ehrlichsten Absicht und dem besten Willen zur Wahr 
heit eingegeben; aber Sie werden entschuldigen, wenn ich als der 
Beklagte und regelmäßig aufs härteste Verurteilte mich nicht 
davon überzeugen kann, daß auch objektiv Recht gesprochen 
worden ist. Ich habe die Empfindung, daß, nicht der Absicht 
nach. wohl aber dem tatsächlichen Ergebnis nach, die Worte ge-
	        
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