Full text: Das Retablissement Ost- und Westpreußens unter der Mitwirkung und Leitung Theodors von Schön

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0 Lehmann II 335. 
aus dem Verhältnis der Erbuntertänigkeit herzuleiten ist, wie Schön 
annimmt, muß mit jener auch diese aufgehoben werden. Vor allem aber 
erhofft er von der vorgeschlagenen Maßregel eine Steigerung des Arbeits 
ertrages. „Freie Menschen arbeiten besser und kräftiger als Erbunter- 
tanen"*). So ist es hier der Wert der Arbeit, der in ähnlicher Weise wie 
der Wert des Bodens durch die Befreiung von jeder ständischen Gebunden 
heit erhöht werden soll. 
Es war ein überaus bestechender, staatsmännischer Gedanke, dem 
Lande gewissermaßen kostenlos, bloß durch eine neue, ausgleichende 
Gesellschaftsordnung die Mittel zuzuführen, deren es zum 
Retablissement bedurfte. Er wurzelte in der freihändlerischen Lehre 
Adam Smiths, die durch den Königsberger Professor Kraus in Ost 
preußen eingebürgert worden war. Für diesen Ursprung ist bezeichnend, 
daß der Provinzialminister von Schrötter in derselben Zeit wie Schön 
ganz ähnliche Vorschläge zur Hebung des Landeskredits gemacht hat, 
weniger durchsichtig und logisch verknüpft, aber in den einzelnen Forde 
rungen noch umfassender. 
Schrötter bekarn den Auftrag, im Sinne dieser Vorschläge ein Gesetz 
auszuarbeiten. Schön, zu einem Gutachten aufgefordert, machte Aus 
stellungen und reichte seinerseits einen eigenen Entwurf ein, die „Ver 
ordnung über die für das Retablissement der Provinzen Ost- und West 
preußen erforderlichen Bestimmungen in Rücksicht auf den erleichterten 
Besitz und den freien Gebrauch des Grundeigentums und auf die persön 
lichen Verhältnisse der Land-Arbeiter". Dieser Entwurf ist, nur wenig 
verändert, Gesetz geworden, aber seine Gültigkeit wurde von Stein auf 
die ganze Monarchie ausgedehnt. So entstand das Edikt vom 9. Oktober 
1807, das seinen historischen Ruhm vor allem der Aufhebung der Erbunter 
tänigkeit verdankt, das aber ganz allgemein das Kapital und die Arbeits 
kraft auf dem platten Lande von den Bauden ständischer Privilegien befreit. 
Es ist dies nicht das einzige Mal in der preußischen Geschichte, daß aus 
dem Retablissement einer Provinz dem ganzen Staate reicher Segen 
erwachsen ist. 
Hat aber das Oktoberedikt seinen ursprünglichen Zweck in Ost- und 
Westpreußen, wie ihn Schön erstrebt hatte, erfüllt? Seine Entstehungs 
geschichte berechtigt uns zu dieser Frage, deren Erörterung für das Ver 
ständnis der weiteren Entwicklung unerläßlich ist. Unberechenbar sind ja die 
Wirkungen allgemeiner Maßregeln und vereiteln leicht die Absichten, die sich 
ihr Urheber gesetzt hat. Dessen war sich Schrötter, der gewiegte Praktiker, 
wohl bewußt. Die Wirksamkeit der vorgeschlagenen Mittel, so sagte er, hinge
	        
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