Full text: Wirtschaftslehre und Wirtschaftspolitik

Der Konsum. 
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eine Erweiterung zu einem einzigen Marktgebiet 
durch die staatliche Macht erzwungen und fest 
gehalten werden. Die nationalen Marktgebiete 
sind heute diese künstlichen Marktgebiete, die zwar 
die Weltmarktwirtschaft nicht zu unterbrechen oder 
aufzuheben, aber doch deren Wirkungen je nach 
ihrer Politik den anderen nationalen Wirtschafts 
gebieten gegenüber abzuschwächen resp. zu mildern 
vermögen. Ohne das Vorhandensein der natio 
nalen Marktgebiete würde die Herrschaft der Welt 
marktpreise für die Bevölkerung mancher Gebiete, 
für die Existenz breiter Schichten der Unterneh 
mungen und Privatwirtschaften weit verhängnis 
voller sein, als dies heute der Fall ist. Immerhin 
wirken auch so noch die Ungleichheiten der Pro 
duktionsbedingungen, die verschiedene Ergiebigkeit 
der natürlichen Produktivkräfte, die verschiedene 
Wcrthöhe der Kapitalgüter, die Verschiedenheit 
der Reproduktionskosten der Arbeitskraft, die ver 
schiedene Leistungsfähigkeit des Warenherstellungs 
und Warenverteilungsapparates bei dem zahl 
reichen nationalen Wirtschaftsgebiete so stark auf 
den Effekt der gesamten Tätigkeit der Privatwirt 
schaften und Unternehmungen ein, daß heute noch 
mehr als früher das Bedürfnis nach einem Zu 
sammenschluß der in ihrer wirtschaftlichen Struk 
tur einander verwandten oder einander sich er 
gänzende Wirtschaftsgebiete mehr oder weniger 
empfunden und erkannt wird. Die heutige impe 
rialistische Politik steht unter dem Einfluß dieses 
Bedürfnisses und zeigt deutlich die Tendenz nach 
solchen noch größeren Marktgebieten, als sie durch 
die heutigen nationalen Wirtschaftsgebiete abge 
grenzt werden. 
Der Verlauf der Wcltmarktwirtschaft. Wir 
haben im vorigen Abschnitt die weiteren Ziele 
angedeutet, nach denen sich die nationalen Wirt 
schaftsgebiete unter der Herrschaft des Weltmarkt 
preises einerseits und unter der intensiven und 
extensiven Bedarfssteigerung andererseits bewegen. 
Aber innerhalb dieser großen Bewegung verläuft 
die Wirtschaft der nationalen Gebiete in eigenartig 
schwankenden Bahnen, die eine große Periodizität 
auswerfen und von starkem Einflüsse auf den 
Erfolg der Privatwirtschaften und Unternehmungen 
sind. Der wirtschaftliche Prozeß erfolgt nicht von 
Jahr zu Jahr gleichmäßig, mit annähernd gleichem 
Erfolge, sondern die Erfahrung lehrt, daß der 
Verlaus des wirtschaftlichen Lebens, und zwar für 
alle an die Weltmarktwirtschaft angeschlossenen 
Wirtschaftsgebiete, bestimmte Jahreszyklen umfaßt, 
von denen ein Teil dieser Jahre die wirtschaftliche 
Tätigkeit begünstigt, während der andere Teil sie 
erschwert. Wir nennen diese Bewegung das eine 
Mal den Aufschwung, das andere Mal den Nieder 
gang im Wirtschaftsleben. Soviel auch schon über 
die Ursachen und Gründe dieser Erscheinungen ge 
schrieben und gesagt worden ist, so ist doch die 
Wissenschaft heute noch nicht imstande, die Er 
scheinung einwandsfrei zu erklären, da die heutige 
Wirtschaftskunde noch viel zu unvollkommen ist, 
um die Masse der sich abspielenden Zustandsver 
änderungen zu übersehen. Aber so viel darf wohl 
behauptet werde, daß die gleichzeitige Abhängigkeit 
von Millionen von Privatwirtschaften und Unter 
nehmungen von den ziemlich einheitlichen Welt- 
marktpreisen oft nachteilige Wirkungen auf die 
Gestaltung des Angebots auf dem Warenmarkt 
hervorbringen muß, die um so verheerender sich 
äußern, als wir weder den jeweiligen tatsächlichen 
Bedarf noch die Schwankungen des Bedarfs kennen. 
Selbst für die nationalen Wirtschaftsgebiete fehlt 
noch jede genauere Kenntnis dieser sür ein geord 
netes Wirtschaften wichtigen Faktoren. 
Die natürlichen Produktivkräfte. Jede Privat 
wirtschaft, jede Unternehmung, jede Organisation 
ist so von der Gestaltung der Konjunktur in hohem 
Grade abhängig. Die Schwankungen der Kon 
junktur beweisen den aleatorischen Charakter des 
menschlichen Wirtschaftens. Dieser aleatorische 
Charakter liegt in einer ganzen Reihe von Ur 
sachen begründet, von denen wir eine sehr wichtige 
schon im vorigen Abschnitte genannt haben. Aber 
es wäre kurzsichtig, dieser einen Ursache die Kon 
junkturschwankungen allein zuschieben zu wollen. 
Wohl wirken die Weltmarktpreise heute wie Sig 
nale für die Gestaltung von Angebot und Nach 
frage in allen wichtigen Marktgebieten, aber diese 
Weltmarktpreise sind doch erst wieder der Aus 
druck gewisser Veränderungen im jeweiligen Ver 
hältnis von Angebot und Nachfrage. Und die 
Gestaltung vornehmlich des Angebots am Waren 
markt hängt keineswegs nur von Faktoren ab, 
die die Menschen zu bestimmen haben, sondern 
zu einem großen Teil von Faktoren, deren Effekt 
dem Einfluß nicht nur der einzelnen Menschen, 
sondern auch der vereinten Anstrengung aller 
Menschen entzogen ist. Von welch ungeheurem 
Einfluß auf das Verhältnis von Angebot und 
Nachfrage muß der jeweilige Erfolg der natür 
lichen Produktivkräfte, also vor allem der Ernten, 
sein! Man denke nur an den Weltbedarf von 
Weizen, Roggen, Gerste, Hafer, Reis, Mais, Kar 
toffeln, Baumwolle usw. Der Aussall des An 
gebotes hängt in jedem Jahre in letzter Linie 
doch mehr oder weniger von der Gestaltung der 
Witterung ab. Die Preisbildung in allen diesen 
Artikeln hängt während der Zeit des Wachstums 
von einem stets wechselnden, nie fest und für 
längere Zeit bestimmbaren Faktor ab, der um so 
beunruhigender wirken muß, wenn plötzliche Na 
turereignisse den erwarteten Erfolg vernichten oder 
aber einen schon fast sicheren Mißerfolg wieder 
in sein Gegenteil verwandeln. Dabei ist noch gar 
nicht berücksichtigt, daß die Spekulation sich dieser 
Ungewißheiten in einer die Marktmeinung noch 
weiter verwirrenden Weise mit Erfolg auszunutzen 
bestrebt ist. 
Die Konjunktur. Man spricht von einer all 
gemeinen wirtschaftlichen Konjunktur, die inter 
nationalen Charakter trägt, man spricht von der 
Konjunktur der allgemeinen wirtschaftlichen Lage 
eines nationalen Wirtschaftsgebietes, man spricht
	        
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