Zweites Kapitel
Das Grundphänomen der wirtschaftlichen
Entwicklung.
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Der soziale Prozeß, der unser Leben und Denken rationalisiert1,
hat uns zwar aus der metaphysischen Betrachtung der sozialen Ent-
wicklung herausgeführt und die Möglichkeit neben und außer ihr
stehender erfahrungswissenschaftlicher Betrachtung sehen gelehrt,
aber sein Werk so unvollständig getan, daß wir vorsichtig sein müssen
mit dem Entwicklungsphänomen, das wir erschaun, noch mehr mit
dem Begriff, in den wir es fassen, am meisten mit dem Wort, mit dem
wir diesen Begriff bezeichnen und dessen Assoziationen nach allen
möglichen unerwünschten Richtungen hin irrlichtern. Nahe ver-
wandt mit dem metaphysischen Vorurteil — deutlicher: mit den meta-
physischen Wurzeln entwachsenen Anschauungen, die ihrer Natur
nach Vorurteile werden, wenn man sie, unüberbrückbarer Klüfte nicht
achtend, erfahrungswissenschaftliche Arbeit tun läßt — wenngleich
nicht ohne weiteres selbst ein solches metaphysisches Vorurteil, ist
jedes Suchen nach einem objektiven Sinn der Geschichte und auch
das Postulat, daß ein Volk, ein Kulturkreis oder gar die ganze Mensch-
heit irgendwelche Entwicklung im Sinn einer einheitlich zu begreifen-
den Kntwicklungslinie aufweisen müsse, wie das sogar ein so nüch-
terner Geist wie Roscher angenommen hat und. wie das ‚zahllose
Geschichtsphilosophen und Geschichtstheoretiker der langen und
glänzenden Reihe von Vico bis Lamprecht subintelligierten und noch
subintelligieren. Hierher gehört auch die Spielart des Entwicklungs-
gedankens, die bei Darwin zentriert — wenigstens dann, wenn diese
Betrachtungsweise auf unser Gebiet einfach analog angewendet
1 Das ist hier im Sinne Max Webers gemeint.
Na