Full text: Die Lehren des Marxismus im Lichte der russischen Revolution

VII 
Die subjektiven Faktoren der sozialistischen 
Volkswirtschaft. 
Viele Sozialisten behaupten, daß man bei der Gesamtbe- 
wertung der sozialistischen Wirtschaft die außerordentlich 
arhöhte Arbeitsproduktivität mit berücksichtigen müsse, die 
eine Folge des Umstandes sein werde, daß der Antagonismus 
zwischen Arbeitern und Unternehmern verschwunden sein 
wird. Auch Marx erwartet eine Veränderung der Arbeiter- 
psychologie von dem Einfluß der neuen Wirtschaftsordnung, 
wenngleich die Wirkung dieses Einflusses ihm nicht als so- 
iortig erscheint. Er erwartet aber, daß der Bürger der sozia- 
listischen Gesellschaft mit der Zeit zu einem so sozial ge- 
sinnten Wesen werden werde, daß er auf die Forderung einer 
Proportionalität zwischen Lohn und Arbeit verzichten und 
sich das echt kommunistische Prinzip zu eigen machen 
werde: „Jedermann nach seinen Fähigkeiten, jedermann nach 
seinen Bedürfnissen‘“. Mit dieser neuen sozialen Psycho- 
logie verband Marx denn auch die Idee von dem staaten- 
losen Dasein der Zukunftsgesellschaft. 
In Wirklichkeit besteht indessen kein Grund anzunehmen, 
daß die soziale Umwälzung als solche die Arbeitsintensität 
günstig beeinflussen könnte. Der der Umwälzung voran- 
gehende verschärfte Klassenkampf mag wohl psychologisch 
die Arbeiterklasse günstig beeinflussen, indem er in ihr das 
Gefühl der Klassensolidarität, ja die Fähigkeit zur Selbst- 
aufopferung stärkt, allein er vermag nicht die Aufmerk- 
samkeit und die Liebe des Arbeiters zu seiner produk- 
tiven Tätigkeit zu steigern. Wird auch durch die soziale Um- 
wälzung in der Produktion der Gegensatz zwischen Unter- 
nehmer und Arbeiter beseitigt, so wird mit dem Übergang 
der Produktion in die Hände der Gesellschaft es noch nicht 
erreicht, daß der Arbeiter seine eigenen Interessen bewußter- 
maßen mit den Interessen der Allgemeinheit identifiziert. 
„Der Arbeiter einer Staatsfabrik,“ sagt M. Tugan-Baranow- 
skij 1), „besitzt keinen Antrieb, mehr als die mittlere Arbeits- 
intensität zu entwickeln und über das Mittel des Arbeits- 
resultats zu schaffen.“ Die soziale Umwälzung, die die bis- 
herige Hierarchie beseitigt, kann nicht umhin, auch die bis- 
1) Der Sozialismus als positive Lehre {russ,) S, 88. 
in
	        
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