Full text: Die Lehren des Marxismus im Lichte der russischen Revolution

dann schreiben, wenn ihm dafür Kerker drohen würde, aber 
Gläser schliff er doch gegen Belohnung. Und ich werde wohl 
auch niemand in seinem religiösen Gefühl verletzen, wenn 
ich sage, daß der Schöpfer der Religion der Liebe für seine 
Predigt das Martyrium des Kreuzes übernommen hat; be- 
schäftigte Er sich einmal mit Zimmerarbeit, so hat Er sein 
Handwerk gegen Entlohnung ausgeübt, — so ist es, wenn Er 
von menschlichem Wesen inne hatte. Geht man beim Aufbau 
einer. Wirtschaft nicht von diesem Grundsatz der National- 
ökonomie aus, so verkennt man ganz und gar das mensch- 
liche Wesen. Der Fortschritt der Kultur äußert sich u. a. 
darin, daß der Arbeiter seinen Verpflichtungen aufs gewis- 
senhafteste nachkommt. Dies ist sowohl im Rahmen der ka- 
pitalistischen wie auch natürlich im Rahmen der sozialisti- 
schen Gesellschaft erreichbar. 
Nachdem die hochgeschraubten Hoffnungen darauf, daß 
der Sozialismus einen ungeheuren Aufschwung der Produk- 
tivität der Volkswirtschaft herbeiführen werde, nicht in Er- 
füllung gegangen waren und sich das Gegenteil herausge- 
stellt hatte, waren viele Sozialisten sowohl des rechten wie 
des linken Flügels leichten Herzens bereit, die Verantwortung 
für diesen Mißerfolg der Arbeiterklasse zuzuschreiben, bald 
unter dem Vorwand, daß diese sich als unvorbereitet er- 
wiesen habe, bald unter dem Hinweis auf den die Arbeiter- 
klasse ‚angeblich immer wieder überwältigenden Einfluß der 
kleinbürgerlichen Umgebung, die ja in der sozialistischen 
Literatur zu einem Sündenbock für alles geworden ist. Wir 
für unser Teil halten es indessen kaum für richtig, die Ur- 
sache der Mißerfolge unseres sozialistischen Aufbaus in der 
Psychologie der Arbeiterklasse zu erblicken, Freilich, es 
sind nach der sozialen Umwälzung keine Zeichen und Wun- 
der geschehen, doch es bestand auch gar kein Grund, solche 
zu erwarten. Wenn aber die Leistungsfähigkeit der Ar- 
beiter auf das Minimum herabsank, so entsprach es durch- 
aus den ungünstigen äußeren Bedingungen — der völligen 
Desorganisation der Volkswirtschaft und insonderheit dem 
schweren Verpflegungsstande. Grundsätzlich besteht. hin- 
gegen kein Anlaß, daran zu zweifeln, daß der Arbeiter an 
der Drehbank einer sozialistischen Fabrik weniger fleißig 
sein wird als an der Drehbank des Kapitalisten. 
Wenn jedoch dem Aufbau einer sozialistischen Volkswirt- 
schaft eine in subjektiven Faktoren wurzelnde Gefahr droht, 
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