Full text: Die Lehren des Marxismus im Lichte der russischen Revolution

jenen breiten Schichten des‘ städtischen Kleinbürgertums, 
die in den Städten Europas zwischen dem Proletariat und 
der Großbourgeoisie stehen und deren Gegensatz mildern. 
Und schließlich war der Kontrast zwischen dem Luxus der 
Spitzen der Gesellschaft und der Armut der niederen Schich- 
'en. in der russischen Stadt auffallender als irgendwo sonst. 
Alles in allem war die russische Stadt für den vom. wissen- 
schaftlichen Sozialismus vorausgesagten „Zusammenbruch“ 
vollkommen reif, 
Nun werden die Sozialisten des rechten Flügels sicher ein- 
wenden, daß, wenn man bezüglich der russischen Stadt im- 
merhin darüber diskutieren kann, ob sie für die von Marx 
prophezeite soziale Revolution reif war oder nicht, das so- 
zialökonomische Antlitz des russischen Dorfes doch jeden- 
lalls nicht in das Schema von Marx hineinpaßte. Sei aber 
las russische Dorf für die soziale Umwälzung noch nicht reif, 
5o sei es auch das ganze Land nicht, das ja ein Agrarland 
per excellence ist. — Allein, will man die Reife Rußlands für 
den Sozialismus nach der Entwicklung des russischen Dorfes 
messen, so ist wohl die Frage an. die Sozialisten des rechten 
Flügels gestattet: Wann wird denn, bei einer so wörtlichen 
Auslegung der Marxschen Lehre, ein Land wie Rußland für 
den Sozialismus überhaupt reif werden? Sind doch der In- 
dustrialisierung bestimmte Grenzen gezogen; selbst Ländern 
wie England und Deutschland, die ja eine bei weitem gerin- 
gere Bevölkerung haben als Rußland, ist die Welt eng ge- 
worden. Die russische Industrie wird aber auch in abseh- 
barer Zukunft sich fast ausschließlich auf den inneren Markt 
stützen müssen und Rußland, das ein Sechstel des. Fest- 
lands der Welt einnimmt, ein Agrarland bleiben. In der rus- 
sischen Landwirtschaft sind indessen keine greifbaren. An- 
zeichen. einer Konzentration zutage getreten. Will man also 
am Buchstaben der Marxschen Lehre festhalten, so wird man 
zugeben müssen, daß weder Rußland noch irgendein anderes 
Agrarland in absehbarer Zukunft für die soziale Revolution 
reif sein wird — mit anderen Worten, daß das Schema des 
wissenschaftlichen Sozialismus auf Agrarländer überhaupt 
ananwendbar sei. Damit wird die Allgemeingültigkeit des 
Schemas von Marx in Abrede gestellt. 
Aber auch die politische Taktik der Sozialisten des rech- 
en Flügels ruft starke Bedenken hervor. Halten sie das Land 
ür noch unreif für die soziale Revolution und sind sie über- 
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