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GEOGRAPHISCHE STAATENKUNDE
reiche Inseln erhielten erst während der letzten Jahrhunderte dauernde
Besiedlung. Heute sind, abgesehen von Hochgebirgsregionen, nur noch
die bei dem gegenwärtigen Klima unbewohnbare Antarktis und größere
Teile der Nordpolarländer sowie kleine oder sehr landferne Inseln des
Indischen und Großen Ozeans unbewohnt. Rechnet man auch die vom
Verkehr regelmäßig durchzogenen Meere zum Wohnraum der Mensch-
heit, so erhält man ein Gebiet von 450 Mill. qkm, also von fast neun
Zehnteln der gesamten und reichlich neun Zehnteln der bekannten Erd-
>berfläche als Herrschaftsbereich des Menschen.
Dem Ziele, die Erde zu erobern, ist die Menschheit im 19. Jahrhundert
rascheren Schrittes nähergekommen als je zuvor, denn noch nie sind in so
kurzer Zeit so große und bis dahin spärlich oder gar nicht bewohnte Räume
erschlossen oder dichter besiedelt worden, wie in dieser Zeit, die in den Kon-
tinenten der Neuen Welt die Einwohnerzahl um ein Vielfaches sich vermehren
3ah. Zugleich hat die Bevölkerung der alten Kulturländer die Schätze des
Bodens und die Vorteile der geographischen Lage in immer steigendem Maße
ausgenützt, damit ihre Existenzbedingungen wesentlich verbessert und dem-
antsprechend sich schneller vermehrt. In einigen Staaten Europas ist die Be-
rölkerung seit der Mitte des 19. Jahrhunderts um 40%, in Sachsen um 130,
auf dem Gebiete des alten Deutschen Beiches um 68, in Frankreich nur um
3,6, dagegen in Rußland um 84, in der Union um 360% gewachsen!, Die
esamtbevölkerung Europas ist im Laufe des 19. Jahrhunderts von 200 auf
150 Millionen gestiegen, und das trotz eines Verlustes von etwa 30 Millionen Seelen
Jlurch überseeische Auswanderung. Sie beträgt gegenwärtig rund 484 Millionen.
Volkszahl und Volksdichte der Erde. Die Gesamtzahl aller
Menschen auf der Erde ist heute auf 1800 bis 1900 Millionen zu
schätzen?.. Für die bekannte Landfläche — etwa 132 Mill. qkm —
darf man demnach eine mittlere Volksdichte von 14,5, für die ge-
samte Landoberfläche von 12,9 annehmen?. Aber die Verteilung der
Bevölkerung ist, je nach der Natur der verschiedenen Landgebiete,
aber auch infolge politischer und geschichtlicher Verhältnisse sehr un-
gleich. Die Karte der Volksdichte der Erde zeigt vier Gürtel auf-
fallend dünner Bevölkerung, die sich rings um die ganze Erde
ziehen: den nördlichen Polargürtel (nördliches Amerika, Europa und
Asien), die Wüsten- und Steppengebiete Innerasiens und der
beiden Passatregionen (die große Salzseewüste der Union, Nord-
afrika, Arabien, Persien — die Pampas, die Kalahari, das westliche
Australien), die tropischen Urwaldgebiete (Amazonien, Kongo-
gebiet, Austral-Asiatische Inselwelt). In diesen vier Gürteln, die etwa
100 Millionen qkm umfassen, wohnt noch nicht ein Mensch auf einem
Quadratkilometer, und sie schließen große Gebiete ein, die heute noch
3o gut wie unbewohnt sind. Von ihnen werden die drei zuerst ge-
nannten wegen der großen Ungunst der Naturbedingungen auch künftig
} Um 1850 zählten: das Europäische Rußland 60,3; Frankreich 35,8; Großbritannien und Ir-
land 27,5; Belgien 4,5; die Niederlande 3,3; das Gebiet des ‚heutigen Deutschen Reiches 35,3;
Sachsen 2,04; die Union 23 Mill. Bewohner.
2? Zur richtigen Beurteilung aller Zahlen sei bemerkt, daß wir nur für einen Teil der Mensch-
heit ordnungsgemäße Zählungen zugrunde legen können, für den Rest aber auf Schätzungen an-
gewiesen sind. Die Zahlen für rund 65% der Gesamtbevölkerung der Erde sind auf Grund von
Volkszählungsergebnissen eingesetzt. Das bedeutet einen gewaltigen Fortschritt, wenn man be-
lenkt, daß um 1870 noch 1000 Millionen Menschen oder 66%, der damaligen Erdbevölkerung
durch ordnungsgemäße Zählung nicht erfaßt wurden.
3. Unter Bevölkerungsdichte verstehen wir die Zahl der Einwohner auf 1 akm.