Full text: Wirtschaftssymptome

Hemmungen, Zwang und Vorbild 
In den Jahren 1925 bis 1928 war die industrielle Konzentration 
in Deutschland ein großes Stück vorwärtsgetrieben worden. Die 
i. G. Farbenindustrie, die Vereinigten Stahlwerke und andre Groß- 
gebilde waren entstanden; die Kunstseidenindustrie, die Kali- 
industrie und andre folgten. Das Jahr 1929 schien so etwas wie 
sine Zwischenpause in der Rationalisierungs- und Konzentrations- 
entwicklung bringen zu wollen, zumal ein gewisser Argwohn 
gegenüber Zeitmaß und Umfang der Entwicklung aufkam. 
Konzernkrisen und Konzernzusammenbrüche (Hatry, Horne 
in England, Favag in Deutschland), die Unübersichtlichkeit der 
großen Kunstseidengruppen und die Erfahrung, daß gerade die 
Konzernwerte in der chronischen Börsenbaisse alles andre als 
kursstetig blieben, schienen dem Konzentrationsgedanken einigen 
Abbruch zu tun. Zudem blieb noch immer ein reichlich Maß von 
Cnentsenlossenheit, Säumigkeit und unangebrachtem Seibständig- 
keitsstolz. Das alles aber wurde von der Not der Zeit und dem 
Druck der Lasten beiseitegedrängt. Wettbewerb, Risiko, Lasten, 
Ueberfiremdungsgefahr und Aufgaben wuchsen; Absatz, Gewinn 
und Wettbewerbsfähigkeit auf dem Weltmarkt wurden geringer. 
Die Grenzen der Wirtschafilichkeit lagen wieder weiter entfernt, 
ächnten sich aus. Das Gebot der Selbsthilfe erzwang um 
so mehr Befolgung, je weniger Gehör die Wirtschaft bei ihren 
Zoll-, »ınanzreform- und Steuerentlastungswünschen fand. 
Wäre das größte, am wenigsten erwartete Konzentrationsereig- 
nis des Jahres, die Verschmelzung Deutsche Bank — 
Disconto-Gesellschaft, zu Jahresbeginn erfolgt, so wäre 
die deutsche Zusammenschlußwelle stärker geworden, als sie ge- 
wesen ist., Die Bankenverbindung war eine Ueberraschung nicht 
aur wegen der Größe der beiden Partner, sondern auch wegen 
der Opfer, die hier an Rang-, Ueberlieferungs- und Persönlich- 
keitsfragen gebracht wurden, Opfer, die andre, ungleich zu- 
sammenschlußbedürftigere Unternehmen nicht bringen zu können 
glaubten. Allerdings konnte sich nicht eitel Freude über die 
Großbankverbindung ergeben: der Beamtenabbau schuf schwie- 
rige Aufgaben; manche Stimmen waren auch um die Leicht- 
beweglichkeit und Kreditzuleitung bei einem solchen Bankriesen 
besorgt. Anderseits war natürlich den übrigen Großbanken über 
Nacht eine Uebermacht entstanden, die sie zu größern An- 
sirengungen und, wenn nicht alles trügt, in nicht zu ferner Zeit 
zu ähnlichen Maßnahmen zwingt. Alsbald angestellte Ver- 
mutungen — sie waren reichhaltig genug — sind vorerst aber 
Örakelsprüche geblieben. Aehnliches hat von den Berechnungen 
betreffend die Auswirkungen der D-Bankverschmelzung auf 
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