72 5. Kapitel. Kapitalbildung und Börsenspekulation.
hausse aufgibt. Sehr viel Mißtrauen, das heute noch dem
mobilen Kapital, den Banken, der Börse entgegen-
gebracht wird, ja sich ausdehnt, sehr viel Verständnis-
losigkeit für die notwendige und nützliche Funktion
eines Effektenmarktes würde verschwinden, wenn nicht
solche falschen und übertriebenen Behauptungen, wie
wir sie mit wenisen Zitaten belegten, in der Finanz-
presse und leider auch bei manchen Wissenschaftlern
noch gang und gäbe wären.
Die künstliche Züchtung einer industriellen Hausse
durch Börsenspekulation und Kreditschöpfung ist volks-
wirtschaftlich ebenso verkehrt, wie die einer Börsen-
hausse überhaupt. Antriebe zu steigender Konjunktur
und zu Konjunkturschwankungen sind im Wirtschafts-
leben schon genügend vorhanden und geben der Spe-
kulation Anlaß zu ihrer, innerhalb gewisser Grenzen
heilsamen, preisausgleichenden Wirkung, Aber die
künstliche Schaffung und Förderung der Spekulation
führt nur dazu, daß sich ihre ungünstigen Wirkungen
bemerkbar machen. Ich habe in früheren Arbeiten ge-
zeigt, daß selbst die Anwendung technischer Fort-
schritte, die Hauptursache steigender Gewinne und
steigender Konjunkturen, schon den Keim des Um-
schlags in sich birgt, daß sie zu schnell erfolgen kann
und dann zu einem Mißverhältnis zwischen Sachkapital-
bildung und Ausdehnung des Konsums führt, Denn der
technische Fortschritt ist für die ersten Unternehmungen,
die ihn in einem Erwerbszweig anwenden, rentabel, weil
die Preise zunächst noch stabil bleiben. Sobald aber
mehrere ihn anwenden, entsteht ein Überangebot, weil
die älteren Unternehmungen noch weiter produzieren.
Diese werden erst allmählich ausgeschaltet, und wenn
dieser Ausschaltungsprozeß sich gleichzeitig in mehreren
wichtigen Erwerbszweigen vollzieht, so kann das zu
einer Erschütterung des ganzen Wirtschaftslebens
führen, Dies um so mehr, wenn gleichzeitig durch die
neuen Kapitalinvestitionen ein Mißverhältnis zwischen