Full text: Allgemeine Gesellschaftslehre

HI. Kapitel. a 
wärts‘“ verfolgen, um das „Tun“, d. h. jenes Wollen, welches in jenem 
Tun die wirkende Bedingung abgegeben hat, zu verstehen. Insbesondere 
kommt es im praktischen Leben gar nicht darauf an, sich vorstellig zu 
machen, wie einem Tätigen „zu Mute“ ist, sondern lediglich darauf, 
sich vorstellig zu machen, was jemand mit besonderem Tun wollte, 
welches Wollen also die wirkende Bedingung in besonderem Tun abge- 
geben hat. So findet denn der Seelenaugenblick „Streben“ im praktischen 
Leben, aber auch in Wissenschaften von besonderen Tätigkeiten, kaum 
Beachtung, obwohl immerhin die Tatsache, daß jedes „Tun“ als „eigenes 
gegenwärtiges Tun‘“ Gewußtes, Sinn besonderen Wissens ist, in der 
Rede, daß Tun ein „bewußtes Wirken‘ ist, ihre allgemeine Anerkennung 
gefunden hat. Das „Verstehen‘“ setzt aber, was gewöhnlich übersehen 
wird, schon ein Wissen um das Wesen dessen, was man als Be- 
sonderes verstehen will, in unserem Falle ein Wissen um „Tun 
schlechtweg‘“ voraus, welches Wissen aber nicht aus irgendeinem ‚,Ver- 
stehen‘, sondern nur aus eigenem „Streben‘‘, d. h. aus „Wissen um 
eigenes gegenwärtiges Tun‘“ geschöpft werden kann, so daß eben 
niemand, der nicht selbst „tätig“ war, anderes Tun verstehen kann. Nur 
das „Selbstbewußtsein‘“ also, nicht das ‚Verstehen‘ kann uns 
lehren, wie jemandem überhaupt als Tätigem „zu Mute ist‘, was jemand 
überhaupt als Tätiger „erlebt‘“, und jedermanns Selbstbewußtsein be- 
lehrt ihn, daß er als „Tätiger‘‘ nicht bloß ein besonders Wirkender, 
sondern auch ein besonders Wissender ist, nämlich eine Seele, die 
um eigenes gegenwärtiges Tun (eigenes gegenwärtiges willkürliches 
Wirken) weiß, so daß also jegliches „Tun“ auch den „Sinn“ be- 
sonderen Wissens darstellt, „ungewußtes Tun‘ nicht vorhanden ist, 
jedes in der Welt vorhandene Tun vielmehr mindestens ein- 
mal, nämlich als „eigenes gegenwärtiges Tun“, von einer 
Seele gewußt ist. . 
Wir finden nun auch häufig die Rede, daß „Tun“ ein Gegebenes 
sei, das „zwei Seiten‘ aufzuweisen habe, nämlich eine „seelische“ 
‘„innere‘“) Seite und eine „körperliche“ („äußere“) Seite und ferner 
die Rede, daß ‚Tun‘‘ eine „mit Sinn verbundene Leibesveränderung“‘ 
sei. Wird mit diesen Reden etwa gemeint, daß ‚Tun‘ ein besonderer 
Wirkenszusammenhang zwischen Seele und Leib sei, so wäre die so- 
genannte ‚innere Seite“ des Tuns nichts anderes als das Wollen, 
welches in jenem Wirkenszusammenhange die erste wirkende Bedingung 
abgibt, während die für Andere wahrnehmbaren Leibesveränderungen 
die sogenannte „äußere Seite‘ des Tuns darstellen würden, wäre ferner 
die „Verbindung“ zwischen „Sinn“ und ‚„Leibesveränderung“‘ nichts 
anderes als ein Wirkenszusammenhang zwischen wollender Seele und 
Veränderungen des mit ihr zusammengehörigen Leibes. Abgesehen 
nun von dem Umstande, daß bei solcher Meinung „Tun“ nicht als 
08
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.