Full text: Allgemeine Gesellschaftslehre

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III. Kapitel. 
weil er die Macht hat, es zu tun. Während also der Schonende 
die Ausübung einer Eigenmacht „wegen“ eines Seelenaugenblickes einer 
anderen Seele unterläßt, geht der Gewalttätige, wie man auch sagt, 
„eigenmächtig“ vor, d. h. er weiß als Bedingung für sein gegenwärtiges 
Verhalten lediglich eigene Unlust und einen Eigenmachtgedanken, 
nicht aber sein allerdings vorhandenes Wissen um den emotionalen 
Seelenaugenblick eines Anderen. Als „Quasi-Schonung“ bezeichnen 
wir solche Einzelwesen-Zustände, die sich erstens als adäquate Er- 
füllung in Beziehung zu solchem Strebens-Augenblicke einer Seele 
darstellen, in welchem a) eine jenen Zuständen nicht zugehörige Wirkung 
emotional ungünstig (als „zu verhindernd“) und b) gewußt wurde, daß 
der eigene Gedanke daran, daß eine andere Seele jene Zustände emo- 
tional ungünstig denke, eine Bedingung für das eigene gegenwärtige 
Begehren abgegeben hat, überdies aber zweitens eine „Enttäuschun g“ 
in Beziehung zu solchem Seelenaugenblicke jener anderen Seele dar- 
stellen, in welchem jene Wirkung emotional ungünstig gedacht wurde. 
Während wir das „Gewalt-Verhalten“ und das „Quasi-Gewalt-Ver- 
halten“ zusammen als „rücksichtsloses Verhalten“ bezeichnen 
können, können wir das „Schonen“ und das „Quasi-Schonen“ zu- 
sammen als „rücksichtsvolles Verhalten“ bezeichnen. 
Als Besonderheit des Gegebenen „Gewalt“ stellt sich das Ge- 
gebene „Zwang“ dar. Obwohl die Worte „Gewalt“ und „Zwang“ 
häufig in gleicher Bedeutung gebraucht werden, lehrt schon eine ober- 
fMächliche Betrachtung, daß sehr oft „Gewalt“, aber nicht „Zwang“ vor- 
liegt. Wird z. B. A von B, der ein Rachegelüste befriedigen will, aus 
dem Hinterhalte erschossen, so liegt zweifellos „Gewalt“, aber nicht 
‚Zwang“ vor, da B gar nicht darauf ausgeht, Etwas zu „erzwingen“. 
Während nämlich beim Gegebenen „Gewalt“, wie wir dargelegt haben, 
stets ein „gegen Wollen eines Anderen“ im Spiele ist, d. h. jemand 
Etwas tut, das ein Anderer emotional ungünstig denkt, ist beim Ge- 
gebenen „Zwang“ insbesondere ein „gegen Streben (tätiges Wirken) 
eines Anderen“ im Spiele, d. h. jemand tut Etwas, wobei ein Anderer 
‚gegen“ jenes Etwas tätig ist. Zur klaren Bestimmung des Gegebenen 
„Zwang“ müssen wir aber zunächst von der Bestimmung des Gegebenen 
‚Kampf“ ausgehen. Das Wort „Kampf“ bezeichnet eine Beziehung 
zwischen zwei „Betätigungen“, deren eine als „eigenes gegenwärtiges 
Tun“ Gewußtes eines Strebens besonderer Seele ist, in welchem a) auf 
eine besondere Veränderung besonderen KEinzelwesens gezielt und 
b) gewußt ist, daß eine andere Seele diese Veränderung nicht bloß 
emotional ungünstig denkt, sondern weiß, daß sie danach gestrebt hat, 
strebt oder streben wird, diese Veränderung zu verhindern, deren 
andere aber als „eigenes gegenwärtiges Tun“ Gewußtes eines Strebens 
jener anderen Seele ist, in welchem a) darauf gezielt wird, jene Ver-
	        
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