Full text: Allgemeine Gesellschaftslehre

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„il. Kapitel. 
rungsreihe, in welcher jene Wirkung, für welche jene „Not“ die grund- 
legenden Bedingungen enthält, verhindert würde, als „Benötigen“ 
bezeichnen wir die Verhinderungs-Beziehung zwischen jener 
Veränderungsreihe und der (mit Verlust von Lust und Gewinn von 
Lust) verbundenen Wirkung, für welche jene Not die grundlegenden 
Bedingungen enthält. Sagen wir also, daß jemand „Etwas benötigt“, 
so ist lediglich die eben dargelegte Verhinderungs-Beziehung gemeint, 
gleichgültig, ob jene Seele um solche verhindernde Veränderungsreihe 
oder überhaupt um ihre „Not“ weiß. Der lebensgefährlich Erkrankte 
„benötigt“ ein besonderes Heilmittel, gleichgültig, ob er weiß, daß es 
ein solches Heilmittel gibt, gleichgültig, ob er überhaupt um die Ge- 
fährlichkeit seiner Erkrankung weiß. Als „Gedanken an gegen- 
wärtige Eigen-Not“ bezeichnen wir jeden Gedanken, dessen Ge- 
dachtes „eigene gegenwärtige Not“ ist, als „Unlust an gegenwärtiger 
Eigen-Not“ bezeichnen wir jede Unlust, deren Gegenständliches „eigene 
gegenwärtige Not“ ist, als „Gedanken an gegenwärtig Eigen- 
Benötigtes“ bezeichnen wir jeden Gedanken an eine besondere Ver- 
änderungsreihe, in welcher die gegenwärtige eigene Not behoben würde, 
„notbedingtes Wollen“ nennen wir jedes Wollen, dem eine „Unlust 
an gegenwärtiger Eigen-Not“ und die Absicht zugehört, ein Benötigtes 
zu bewirken, d. h. die durch die Not grundlegend bedingte, ungünstig 
emotional gedachte Wirkung zu verhindern. Vom bloßen „notbedingten 
Wollen“ unterscheiden wir aber das „genötigte Wollen“, ein be- 
sonderes „notbedingtes Wollen“, in welchem auf Verhinderung einer 
emotional ungünstig gedachten Wirkung durch solche Mittel- 
wirkungen gezielt wird, welche der Wollende nach seinem 
Wissen vorher emotional ungünstig gedacht hat und die 
er nunmehr lediglich in Beziehung zu jener Verhinde- 
rungs-Wirkung emotional günstig denkt. Die Zugehörigkeit 
eines „genötigten Wollens“ zu besonderer Seele nennen wir ein „Ge- 
nötigt-Sein“ jener Seele und jene Wirkung, in welcher ihr solches 
Wollen zugehörig wird, eine „Nötigung“. Die „Nötigung“ darf nun 
nicht mit dem „Zwange“ verwechselt werden, denn der „Genötigte‘ 
zielt gar nicht in einem besonderen Streben auf Verhinderung der 
„Nötigung“, d. h. jener Wirkung, in welcher ihm das „genötigte Wollen“ 
zugehörig wird. Was man in solchen Fällen das „innere Wider-Streben“ 
nennt, ist nämlich gar kein „Gegen-Streben“, sondern der erlebte „Kampf 
der Motive“ in der eigenen Seele, d. h. jenes abwägende „Nach- 
sinnungs-Streben“, in welchem darauf gezielt wird, die eigene Un- 
lust am Zweifel, ob „getan“ oder „gelassen“ werden soll, durch 
Wert-Gewißheit zu beseitigen, ein Streben, das aber keineswegs allen 
Nötigungen vorangeht, die sich vielmehr auch „a tempo“, ohne „Ab- 
wägen“, ergeben können. Es ist also in solchen Fällen kein wahrer
	        
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