Full text: Allgemeine Gesellschaftslehre

Vergesellschaftung und Gesellschaft, 257 
um besonderes Verhalten eines Anderen geworben wird, dieses Ver- 
halten des Anderen dem Werbenden aber nur als ungewisses „Fern- 
Ziel“ vorschwebt, wollen wir von „ungewiß gerichteten An- 
sprüchen“ sprechen und sie von den „gewiß gerichteten An- 
sprüchen“ unterscheiden. Wir sprechen deshalb nicht von „gewissen 
Ansprüchen“ und von „ungewissen Ansprüchen“, weil diese Worte das 
Mißverständnis erwecken könnten, es handle ‘sich um einen Gegen- 
satz von jemandes Gewißheit, daß er einen Anspruch erhebe, zu je- 
mandes Ungewißheit, ob er einen Anspruch erheben werde. Wer 
aber einen „ungewiß gerichteten Anspruch“ erhebt, der ist gewiß, daß 
er einen Anspruch erhebt, um jemandes Verhalten wirbt, nur schwebt 
ihm eben jenes Verhalten des Anderen als ein „ungewisses Fern-Ziel“ 
vor, während ihm als Ziel die Zugehörigkeit besonderen Seelischens zu 
dem Anderen als in Betracht kommende grundlegende Bedingung für 
jenes Verhalten vorschwebt. Das Wollen, einen „ungewiß gerichteten 
Anspruch“ zu erheben, ist also ein besonderes Ermöglichungs-Wollen. 
Die Rede von „unbedingten“ und „bedingten“ Ansprüchen ist hingegen 
zu vermeiden, weil jeder Anspruch nur kraft besonderer Bedingungen 
in der Welt vorhanden ist. 
Jener nun, der einen „ungewiß gerichteten Anspruch“ erhebt, zielt, 
wie bereits bemerkt wurde, zunächst darauf, dem Adressaten solches 
Seelisches zugehörig zu machen, welches als grundlegende Bedingung 
dafür in Betracht kommt, daß Erfahrung besonderen zur Zeit der An- 
Sprucherhebung für den Ansprucherheber noch ungewissen Ereignisses 
die wirkende Bedingung dafür abgibt, daß ihm entweder ein Wollen 
jenes Verhaltens zugehörig wird, hinsichtlich dessen ihm ein ungewisser 
Wunsch kundgegeben wurde oder ein Wider-Wollen jenes Verhaltens, 
hinsichtlich dessen ihm eine ungewisse Furcht kundgegeben wurde. 
Der einen „ungewiß gerichteten Anspruch“ Erhebende zielt also stets auf 
besondere „Verhalten-Bereitschaft“ des Anspruchadressaten, da 
„Bereitschaft“ nichts anderes ist als die Zugehörigkeit solchen Allge- 
Meinens zu besonderem Einzelwesen, welches als grundlegende Bedingung 
für besondere Wirkung an jenem Einzelwesen in Betracht kommt. Da es 
Sich in unserem Falle um die Bereitschaft für den Empfang besonderen 
Wollens, bzw. Wider-Wollens kraft Erfahrung besonderen Ereignisses 
als wirkender Bedingung handelt, können wir die, ungewiß gerichteten 
Änsprüche auch als „Bereitwilligkeits- bzw. Bereitwider- 
Willigkeits-Ansprüche“ bezeichnen. Mit diesen Worten ist jedoch 
lediglich das (gewisse) Ziel jenes, der einen „ungewiß gerichteten An- 
Spruch“ erhebt, keineswegs aber sein „ungewisses Fern-Ziel“ bezeichnet, 
das stets besonderes Verhalten des Anspruchadressaten ist. Die dem 
Empfänger eines „ungewiß gerichteten Anspruches“ gewirkte „Bereit- 
Schaft“ stellt sich nun aber stets als ein „ungewisses Wollen“, bzw. „un- 
Sander, Alle. Gesellschaftsiehre ”
	        
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