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YV. Kapitel. a
eine „Ziel- bzw. Wider-Ziel-Gemeinschaft“, so würde zwar „Gesellschaft“
solche „Gemeinschaft“ einschließen, wäre aber doch nicht als solche
„Gemeinschaft“ vollständig bestimmt, da nämlich im übrigen das Ge-
wußte eines „Verhalten-Werbung-Seelenaugenblickes“ und das Ge-
wußte eines Entsprechung-Seelenaugenblickes durchaus von einander
verschieden sind. Es gibt zahlreiche „Ziel- bzw. Wider-Ziel-Gemein-
schaften“ zweier Seelen, die nicht „Gesellschaften“ dieser zwei Seelen
sind. Besteigen z. B. A und B gleichzeitig einen und denselben Berg,
so besteht zwischen ihnen insoferne eine „Ziel-Gemeinschaft“, als sie
beide in ihren Verhalten-Seelenaugenblicken „Erreichen des Gipfels
jenes Berges“ emotional günstig denken. Aber diese beiden Verhalten-
Seelenaugenblicke begründen nur eine „Ziel-Gemeinschaft“ jener beiden
Seelen, keineswegs eine „Gesellschaft“ jener beiden Seelen, weil eben
kein „Verhalten-Werbung-Seelenaugenblick“ der einen Seele und kein
‚Entsprechung-Seelenaugenblick“ der anderen Seele vorliegt. Deshalb
ist es auch ein — leider weitverbreiteter — Irrtum, von „Gesellschaft“
zweier Seelen zu sprechen, wenn sie „gemeinschaftlich“ oder bloß „gleich-
artig“ handeln oder unterlassen, da eben eine bloße „Ziel- bzw. Wider-
Ziel-Gemeinschaft“ noch keineswegs „Gesellschaft“ ist. „Gemeinschaft“
ist jede durch ein besonderes, zweimalig gegebenes Allgemeines be-
zründete Beziehung zweier Seelen, „Gesellschaft“ aber ist nur die durch
lie zwei Allgemeinen „Verhalten-Werbung-Seelenaugenblick“ und „Ent-
sprechung-Seelenaugenblick“ begründete Beziehung zweier Seelen. „Ge-
meinschaft“ zweier Seelen ist ferner stets eine „simultan begründete
Beziehung“, da zwei Seelen nur dann in „Gemeinschaft“ stehen, wenn
ihnen ein Allgemeines gleichzeitig zugehört. „Gesellschaft“ zweier
Seelen ist hingegen eine „sukzessiv begründete Beziehung“, da zwei
Seelen nur dann „in Gesellschaft“ stehen, wenn zuerst der einen Seele
ain „Verhalten-Werbung-Seelenaugenblick“ und dann der anderen Seele
ein „Entsprechung-Seelenaugenblick“ zugehört. Ferner kann „Gemein-
schaft“ zweier Seelen auch bestehen, ohne daß zwischen ihnen ein von
einer der beiden Seelen beabsichtigter Vergemeinschaftungs-
zusammenhang, ohne daß überhaupt eine von jemandem beabsichtigte
Vergemeinschaftung jener beiden Seelen sich ergeben hat. Hingegen
kann „Gesellschaft“ zwischen zwei Seelen nur dann bestehen, wenn
sich zwischen ihnen ein von einer der beiden Seelen beabsichtigter „Ver-
gesellschaftungs-Zusammenhang“ ergeben hat: „Gemeinschaft“ kann also
‚Natürliches“ oder „Künstliches“, „Gesellschaft“ nur „Künstliches“ sein,
„Gemeinschaft“ zweier Seelen hinsichtlich eines besonderen Seelischen
kann schließlich während eines Weltzeitraumes bestehen, der beliebig
viele Weltzeitpunkte umfaßt, wenn nur in allen jenen Weltzeitpunkten
jenes besondere Seelische beiden Seelen zugehört. „Gesellschaft“ zweier
Seelen hingegen ist stets auf zwei besondere Weltzeitpunkte, näm-