Full text: Allgemeine Gesellschaftslehre

370 a VI, Kapitel, . 
Grund identischen Wollens gewirkt hat, nunmehr auf Grund identischen 
Triebes wiederholt wirkt, so daß er auch keinen „Grund“ dieser weiteren 
Wiederholung anzugeben vermag. Einen besonderen Fall der „Ab- 
Gewöhnung“ stellt der „Übergang von einer Triebwirkens- 
wiederholung zu einer Handlungs-Wiederholung. kraft 
identischen Wollens“ dar, welcher vorliegt, wenn jemand jene 
eigenen leiblichen Veränderungen, welche er bisher wiederholt auf Grund 
identischen Triebes gewirkt hat, nunmehr auf Grund identischen Wollens 
wiederholt wirkt, 
„Einzel-Gewohnheit“ ist jene „Gewohnheit“, welche ein 
einzelner Mensch aus einer besonderen Gesamtheit von Menschen hat, 
„Gemein-Gewohnheit“ ist jene Gewohnheit, welche jeder ein- 
zelne Mensch aus einer besonderen Gesamtheit von Menschen hat. Ist 
eine „Gemein-Gewohnheit‘‘ von jedem einzelnen jener Menschen, 
welchem sie zugehört, nicht als „Gemein-Gewohnheit‘“ gewußt, so 
nennen wir die „Gemein-Gewohnheit“ einen „Brauch“, ist hingegen 
eine „Gemein-Gewohnheit“ von jedem einzelnen jener Menschen, welchen 
sie zugehört, als „Gemein-Gewohnheit‘“ gewußt, so nennen wir die 
„Gemein-Gewohnheit‘‘ eine „Sitte“. Das Wort „Sitte‘“ bezeichnet 
also eine Gemein-Gewohnheit, die von allen jenen, denen die Gewohn- 
heit zugehört, als „Gemein-Gewohnheit‘“ gewußt ist, das Wort 
„Sitte“ ist also eigentlich ein Sinnwort, da es „Gemein-Gewohnheit‘“ 
als besonderen „Sinn‘‘ (besonderes „G(ewußtes‘“) bezeichnet... Un- 
zutreffend ist die Meinung, daß „Sitte“ jene „Gemein-Gewohnheit‘‘ ist, 
deren „Befolgung‘“ beansprucht oder welche wenigstens als „Wert“ 
betrachtet wird. Auch in diesem Falle wäre „Sitte“ ein Sinnwort, 
da es „Gemein-Gewohnheit“ als Gewußtes besonderer Anspruch- 
Seelenaugenblicke oder besonderer Wert-Gedanken bezeichnen würde. 
Nun ist es gewiß wahr, daß das Wissen jemandes, eine ihm zugehörige 
Gewohnheit sei eine ‚„‚Gemein-Gewohnheit“ sehr häufig eine Bedingung 
dafür abgibt, daß er solche Gewohnheit als „Wert“ betrachtet und 
gegen Andere den Anspruch erhebt, sich dieser Sitte „anzupassen“, 
welche Anpassung dann allerdings auf Seite des Anspruch- 
adressaten wenigstens anfänglich keine „Gewohnheit“ 
sein kann, sondern nur eine Handlungs-Wiederholung auf Grund des 
identischen Wollens, diesen Anspruch zu erfüllen, also solche eigenleib- 
liche Veränderungen als Handlungen zu bewirken, wie sie den Anderen 
als Triebwirkungen zugehören. Aber schon die Unterscheidung 
„guter Sitten“ und „böser Sitten“ zeigt, daß auch in jenem Kreise von 
Menschen, innerhalb dessen eine „Sitte“ besteht, diese „Sitte“, dieser 
„gewußte Gemein-Gebrauch“ auch als „Unwert“ betrachtet werden 
kann und Niemandem zugemutet werden muß. Es darf eben „Sitte“ 
nicht mit „Sittlichkeit“ verwechselt werden. obwohl selbstverständlich
	        
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