Full text: Allgemeine Gesellschaftslehre

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VII. Kapitel, nn 
Eine besondere Art der „Versprechung‘‘ ist ferner das „Gelübde‘‘. 
Als „Gelübde‘“ bezeichnen wir jene Versprechung, in welcher sich 
die Behauptung findet, daß der Redende mit seiner vorangegangenen 
„Günstigen Eigen-Verhalten-In Aussicht-Stellung‘“ darauf gezielt habe, 
sine eigene Sollen-Anwartschaft zu ergänzen, welche durch einen von 
Gott an ihn gerichteten Anspruch begründet wurde. Hingegen be- 
zeichnen wir als „Gelöbnis‘“ jemandes Behauptung, daß er sich 
in besonderer Weise mit sittlicher Gesinnung verhalten, 
also besondere Handlung deshalb vornehmen oder unterlassen werde, 
weil er wisse, daß durch solches Verhalten der einen Anderen (oder 
mehrere Anderen) betreffende Interessengesamtzustand verbessert wird. 
Das „Gelöbnis‘“ ist also keine Versprechung, sondern eine „Günstige 
In Aussicht-Stellung eigenen Verhaltens mit sittlicher Gesinnung“. 
Durch ein „Gelöbnis“ allein, d. h. durch die Tatsache allein, daß jemand 
besonderes eigenes Verhalten mit sittlicher Gesinnung günstig in Aus- 
sicht gestellt hat, wird niemals eine Pflicht des Gelobenden begründet; 
Spricht man in solchen Fällen von der Begründung einer „sittlichen 
Pflicht“, so steht man selbstverständlich auf dem Boden der „‚Gebot-Ethik“ 
und übersieht, daß jener, der ein Gelöbnis adäquat erfüllt, nicht „aus 
Pflicht“, sondern eben „mit sittlicher Gesinnung“ sich in besonderer 
Weise verhält, daß aber jener, der sich „aus Pflicht“ in besonderer 
Weise verhält, sich wieder nicht „sittlich“ verhält. Indes wird oft durch 
ein Gelöbnis eine Pflicht des Gelobenden deshalb begründet, weil an 
ıhın der Anspruch gerichtet wurde, ein geleistetes Gelöbnis zu er- 
füllen, und wenn ein Gelobender um diese seine Pflicht-Anwartschaft 
weiß, ist sein Gelöbnis zugleich eine „Quasi-Versprechung“, Der „Eid“ 
ningegen ist ein „Gelübde“, also eine besondere Versprechung, die zu- 
gleich insoferne eine „Quasi-Versprechung“ ist, als der „Eidleister“ weiß, 
daß an ihn ein „weltlicher“ Anspruch gerichtet wurde, ein geleistetes 
Gelübde zu erfüllen, daß also durch sein Gelübde nicht nur eine 
durch Anspruch Gottes, sondern auch eine durch menschlichen An- 
spruch begründete Pflicht deshalb begründet wird, weil seine durch 
den menschlichen Anspruch begründete Pflicht-Anwartschaft gerade 
durch ein geleistetes Gelübde zu einer eigenen „weltlichen“ Pflicht 
ergänzt wird. Im Gegensatze zum „Eide“ wird jenes Gelöbnis, das 
gleichzeitig eine „Quasi-Versprechung“ darstellt, auch als „eidesstättige 
Versicherung“ bezeichnet. Einen solchen „Eidesersatz“ („Quasi-Eid“) 
leistet in besonderen Fällen jener, der nicht an Gott und dessen An- 
sprüche glaubt, 
Während nun jedes „Anspruch erheben“ auch ein „Heischen“ 
heißen“) genannt wird, nennt man auch jedes „Versprechen“ ein 
„verheißen“ oder „sich anheischig machen“, Dieses „sich an- 
heischie: machen“ darf aber nicht derart gedeutet werden. daß man
	        
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