"IE. Kapitel.
stellt. Gewiß gibt es Fälle, in welchen jemand auf Grund einer einem
Anderen geleisteten Versprechung an einen Dritten ein Gebot richtet,
mit welchem darauf gezielt wird, jenem Anderen eine Befugnis zu ver-
leihen. Aber auch in solchem Falle ist die Befugnis- Verleihung zwar
Erfüllung einer Versprechung, aber nicht selbst eine Versprechung,
und es gibt zahlreiche Fälle, in welchen eine Befugnis- Verleihung nicht
auf Grund einer Versprechung erfolgt, sondern aus anderem „Motive“
des Befugnis-Verleihers. So wird z. B. mit zahlreichen Staatsgesetzen
darauf gezielt, den Untertanen „Befugnisse“ zu verleihen, es ist aber
pure „Fiktion“, zu behaupten, daß dies auf Grund einer „Versprechung“
les Gesetzgebers erfolge, daß also, wenn jene ‚„„Staatsgesetze‘“ erfolglos
arlassen wurden, den Gesetzgeber wegen einer erfolgten ‚, Versprechung“‘
aunmehr die Verpflichtung trifft, die Staatsuntertanen, welchen die Be-
{ugnis zugedacht war, etwa zu entschädigen. Die Verwechslung der
Gegebenen „Dürfen‘‘ und „Befugnis‘“ hat eine Wurzel auch in der
Verwendung der Worte „gewähren‘, ‚verleihen‘ und „geben“, da
allerdings sowohl jener, der einem Anderen Etwas „erlaubt“, als auch
jener, der auf eines Anderen ‚Befugnis‘ zielt, die Absicht hat, dem
Anderen Etwas zu „gewähren“, zu „verleihen“, zu „geben“, d. h. ihm
einen „Vorteil“ zu verschaffen, wobei aber eben in jedem der beiden
Fälle auf einen anderen ‚‚ Vorteil“ des Anderen gezielt wird, in dem
einen Falle auf ein „Dürfen‘‘ des Anderen, in dem anderen Falle auf
sine „Befugnis“ des Anderen, in dem einen Falle also auf des Anderen
„Freiheit von besonderer ungünstiger Zurechnung“, in dem
anderen Falle auf des Anderen „Macht besonderer ungünstiger
Zurechnung“. Die Verwechslung von ‚„Dürfen‘‘ und „Befugnis“
findet sich aber insbesondere in der Rechtslehre, So lesen wir etwa
in dem Werke eines berühmten Juristen die folgenden typischen Sätze:
„Befugnis (Recht) ist Willensmacht, die durch eine gewährende Rechts»
norm gesetzt ist. Ihr Inhalt ist ein Dürfen.“ Indes hat etwa jener, der
nen besonderen Garten betreten „darf“, deshalb noch nicht die „Macht“,
jenen Garten zu betreten, da etwa das CGrartentor versperrt und der
Gärtner nicht gewillt sein kann, zu öffnen. Verwendet man aber
wieder das Wort „dürfen‘“ in richtigem Sinne, also nicht im Sinne
„besondere Macht“, so läßt sich ‚Befugnis‘ nicht als „dürfen“ be-
stimmen. Wenn etwa A von B beanspruchen ‚,darf‘‘, daß er einen
zwischen ihnen geschlossenen Vertrag einhalte, wenn also Andere ver-
pflichtet sind, dem A. die Erhebung solchen Anspruches nicht ungünstig
zuzurechnen, hat A mit diesem ‚„„dürfen‘‘ offenbar noch lange nicht die
Macht, dem B die Nicht-Einhaltung des Vertrages ungünstig zuzurechnen,
ınd jedermann wird wohl bei klarer Überlegung zugeben, daß er mit
dem Worte „subjektives Recht‘‘ — dessen Sinn später zu erörtern
st — Etwas anderes meint, als daß der ‚Berechtigte‘ Etwas tun
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