Grundwissenschaft und Gesellschaftswissenschaft. 45
begründete Beziehung“ für besondere Seelen „Dogma“, also „durch
Ander-Werbung gewonnener Sinn“ oder auch nur „durch Ander-
Werbung zugemuteter Sinn“ ist, kann hinsichtlich jener Beziehung
als „Sinn“ — wie man sagt — „Dogmatik betrieben“, d. h. es kann be-
stimmt werden, welchen besonderen Allgemeinen als „Sinn“ jene iden-
tischen Allgemeinen, durch welche jene Beziehung begründet ist, als
„Sinn“ zugehören, bzw. von welchen sie gesondert sind, es kann also
bestimmt werden, welchen Sinnbesonderheiten jener identische
Sinn, der durch Ander-Werbung „gewonnen“ oder auch nur „zugemutet“
ist, zugehören, bzw. nicht zugehören kann. Solches auf Erkenntnis
zielendes Streben nennt man „systematische Entwicklung eines Dogmen-
inhaltes“, und ist passender „Entfaltung eines durch Ander-
Werbung gewonnenen, bzw. zugemuteten identischen Sinnes“
zu nennen, Nun ist aber klar, daß jeder identische Sinn gewissen Sinn-
besonderheiten zugehört, bzw. nicht zugehört, gleichgültig, ob jener
Sinn für jemanden ein „Dogma“ ist oder ihm als „Dogma“ zu-
gemutet wird. Werden also besondere „Sinnentfaltungs-Wissen-
schaften“ als „dogmatische Wissenschaften“ („Dogmatik“) bezeichnet,
so bringt man nur erstens jenes besondere Interesse zum Audrucke,
welches den Anlaß dafür bietet, daß gerade solcher Sinn „entfaltet“
wird, und es wird zweitens zum Ausdrucke gebracht, daß man eben
nur jenen Sinn „entfalten“, keineswegs aber, wenn es sich um bloßen
Glauben handelt, die „Wahrheit“ jenes Glaubens, wenn es sich um „Ver-
halten“ handelt, den „Wert“ jenes Verhaltens prüfen wolle. Daß also
z. B. jener „Verhalten-Sinn“, welcher von der „Rechtsdogmatik“ ent-
faltet wird, für besondere Seelen „Dogma“ ist oder ihnen als „Dogma“
zugemutet wird, hat für die Ergebnisse ihrer . Bestimmungen eigentlich
gar keine Bedeutung, da sie zu denselben Erkenntnissen ge:
langen würde, wenn solches Verhalten für niemanden Dogma
der niemandem als Dogma zugemutet wäre.
Als „Beziehungswissenschaften“ überhaupt haben wir alle Wissen-
schaften bezeichnet, deren logisches Prädikat „Beziehung“ ist. Wissen-
schaften aber, deren logisches Subjekt „Beziehung“ wäre, gibt es nicht,
da jede Beziehung „Einfaches“ ist, also weder durch Wesen noch durch
Besonderheit bestimmt, sondern nur im Gegebenen aufgewiesen werden
kann, Das logische Subjekt der Allgemein wissenschaften ist daher
stets entweder Wesensallgemeines oder besonderndes Allgemeines (in
Einheit mit identischem Allgemeinen). Nun gibt es aber verschiedene
Beziehungen zwischen Einzelwesen, deren Gründe zwar gewußt, aber
unklar gewußt sind, so daß eben die solche Beziehung begründenden
Allgemeinen nach Wesen und Besonderheit bestimmt werden müssen.
So verhält es sich insbesondere mit den besondere Seelenbeziehungen,
wie „Feindschaft“. Freundschaft“. „Liebschaft“, „Bruderschaft“, ‚Ge-