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Zerfalls des einheitlichen Wissens: Die Wissenschaften und Künste,
die einst der Philosoph zusammenhielt, fallen auseinander und werden
jede einzeln zu sachlich geregelten Disziplinen, im denen der leben-
dige Mensch mit dem Fortschreiten der Wissenstechnik an Bedeutung
immer mehr zurücktritt. Diesen Vorgang können wir auch als die all-
mähliche Entseelung und Vergeistung des Wissens bezeichnen.
In die Augen springt der Gleichlauf zwischen dieser Auflösung
eines ursprünglich mehrgliedrigen Ganzen des Wissens in zerstreute
Einzelbestandteile mit der gleichzeitig sich vollziehenden Zer-
schlagung der komplexen Handwerkerarbeit in die Teilverrichtungen
der modernen Industrie, die ich in meinem „Modernen Kapitalis-
mus‘ ausführlich dargestellt habe. Auch in der Sachgüterwelt läßt
sich diese Entseelung und gleichzeitige Vergeistung der Betriebe be-
obachten. *
Aber der wichtigsten Neuerung, die mit dem Eindringen des wissen-
schaftlichen Geistes in das Reich der Erkenntnis gebracht wird.
haben wir nun erst. zu gedenken, es ist
3. die Demokratisierung des Wissens. Wiederum tritt uns
der grundsätzliche Gegensatz zwischen Philosophie und Wissenschaft
entgegen. Es gibt ein einziges Reich der Philosophie, in dessen ver-
schiedenen Provinzen die. einzelnen Philosophen als Vizekönige mit
monarchischer Gewalt herrschen. Aber es gibt kein Reich der Wissen-
schaft. Es gibt nur Bezirke des Wissens, das sind ‚die einzelnen
Wissenschaften und deren Verfassungsform ist die demokratische
Republik. . Unbildlich gesprochen: während die Philosophie sich an
den Kreis der Gleichgesinnten, der Jünger wandte, wendet sich die
Wissenschaft „an alle“, an die ungegliederte Masse der. Vernunft-
wesen. Sie erstrebt — und das ist ihr wichtigstes Kennzeichen —
im Gegensatz zur ‚Philosophie Allgemeingültigkeit ihrer Er-
gebnisse. Sie erstrebt universelle. (zum Unterschiede von genereller)
Allgemeingültigkeit im Sinne von subjektiver Allgemeinheit, das
heißt: von Finsichtigkeit . für jedermann. Die Wissenschaft will
5 Der erste wohl, der diesen Vorgang gesehen hat, ist J. Bı Vico. Siehe dessen
äußerst lehrreichen Aufsatz: De nostri temporis studiorum ratione (1708),
in dem er :auch als erster dem Monismus der wissenschaftlichen Erkenntnisweisen
entregentritt und besondere Verfahren für die Geistwissenschaften fordert.