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Das ist auch das Urteil eines Mannes, der der „historischen“
Schule alle seine Sympathie entgegenbrachte, der in persönlicher
Freundschaft mit Schmoller verbunden. war: Wilhelm Diltheys:
Dieser äußert sich über den Ausgang des Geisteskampfes, der in der
zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts’ entbrannt war, wie folgt??:
„Ihrem Studium und ihrer Verwertung der geschichtlichen Er-
scheinungen fehlte... eine philosophische Grundlegung... So ver-
blieb es, als nun Comte, St. Mill, Buckle von neuem das Rätsel
der geschichtlichen Welt durch‘ Übertragung naturwissenschaftlicher
Prinzipien und Methoden zu lösen versuchten, bei dem unwirksamen
Protest einer lebendigeren und tieferen Anschauung, die sich weder zu
entwickeln noch zu begründen vermochte, gegen eine dürftige und
niedere, die aber der Analyse Herr war... Und in solcher Unsicher-
heit über die Grundlagen der Geisteswissenschaft zogen sich die
Kinzelforscher bald auf bloße Deskription zurück...“
Und der noch klügere Freund schaute den Dingen noch tiefer auf
den Grund als er schrieb?:a: „Die sogenannte historische Schule halte
ich für eine bloße Nebenströmung innerhalb desselben Flußbettes
(sc. der naturwissenschaftlichen Denkweise), und nur ein Glied eines
(und desselben. W. S.) alten durchgehenden Gegensatzes repräsen-
tierend. Der Name hat etwas Täuschendes. Jene Schule war gar keine
historische, sondern eine antiquarische“ usw.
2. Hilfe aus fremden Lagern
Der Kampf um eine höhere Form unserer Wissenschaft, als sie
die ordnende Nationalökonomie darstellt, wäre verloren gewesen,
wenn nicht starke Truppenkörper aus fremden Lagern der kämpfen-
den Schar der heterodoxen Nationalökonomen zu Hilfe gekommen
wären. Unbildlich gesprochen: die geistwissenschaftliche National-
Ökonomie verdankt ihre Entstehung nicht jenen Nationalökonomen,
von “denen ich im vorigen Unterabschnitt gesprochen habe, so sehr
der von ihnen verbreitete Geist auch ihrer Entwicklung fördersam
zewesen' sein mag, sondern Männern anderer Wissenschaften.
22 W, Dilthey, Einleitung in die Geisteswissenschaften. 2. Aufl. S. XYI.
22a Graf Paul York v. Wartenberg in seinem Priefwechsel mit Dilthey
1923, S, 68/69, Vıl. auch S. 54.