Full text: Die drei Nationalökonomien

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Die Idee der Wirtschaft ist ein raum- und zeitloser Vernunfit- 
begriff: sie erfaßt ungestalteten, objektiven Geist. Nun ist aber „,Wiri- 
schaft‘ im Sinne von Wirtschaftsleben ein räumlich und zeitlich 
yvebundener Tatsachenkomplex. Alle Kultur, somit auch alle Wirt- 
schaft, wenn sie wirklich ist, ist Geschichte. Die Idee der Wirt- 
schaft konkretisiert sich also immer in bestimmten, historischen Er- 
scheinungen: die Wirtschaft in der Geschichte nimmt stets Gestalt 
an; ist gestalteter, objektiver Geist. Wie es keine Religion, keine 
Kunst, keine Sprache, keinen Staat „in abstracto‘“ (außer in der Idee) 
gibt, sondern immer nur eine bestimmte Religion, eine bestimmte 
Kunst, eine bestimmte Sprache, einen bestimmten Staat, so gibt es 
auch keine Wirtschaft in abstracto, sondern immer nur eine ganz 
bestimmt geartete, historisch besondere Wirtschaft. 
Aufgabe aller Kulturwissenschaften ist es nun, Mittel und Wege zu 
finden, die von ihnen bearbeiteten Kulturerscheinungen in ihrer ge- 
schichtlichen Besonderheit zu erfassen. Es gilt, ein bestimmtes 
Kulturgebiet dadurch gleichsam wissenschaftsreif zu machen, daß 
man lernt, durch Heraushebung seiner historischen Konkretheit seine 
Stellung in der Geschichte zu bestimmen und es in seiner Eigenart 
von anderen Verwirklichungen derselben Kulturidee zu unterscheiden. 
Das erreicht man abermals mit Hilfe einer an den Tatbestand heran- 
getragenen Idee, die aber in diesem Falle keine abgrenzende, sondern 
eine gestaltende Funktion "auszuüben berufen ist. 
So bedienen sich beispielsweise die Sprachwissenschaft der Idee 
der inneren Sprachform, die Religionswissenschaft der Idee des Dog- 
mas, die Kunstwissenschaft der Idee des Stils, um die jeweilige histo- 
rische Eigenart eines von ihnen untersuchten Kulturgebietes zu. be- 
stimmen. 
Einer solchen gestaltenden Idee, mittels deren sie ihren Stoff zu 
Systemen zu ordnen vermag, bedarf nun die Wirtschaftswissenschaft 
ebenfalls. Eine solche Idee ist berufen, das Wirtschaftsleben einer 
bestimmten Zeit in seiner grundsätzlichen Eigenart zu erfassen, 
es zu unterscheiden von der Gestaltung der Wirtschaft in anderen 
Wirtschaftsepochen und damit große historische Perioden der 
menschlichen Wirtschaft abzugrenzen.
	        
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