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ständige Verwendung unterscheiden. Es sind in der heute üblichen
Sprechweise „Fiktionen‘‘, Als-ob-Konstruktionen.
Solche Arbeitsideen bieten sich uns in größerer Menge dar und
sie gestatten eine gewisse subjektive Willkür in der Auswahl. Sie
stehen zueinander in verschiedenem Verhältnisse: teilweise ergänzen
sie sich, teilweise schließen sie sich aus.
Ich gebe im folgenden einen kurzen Überblick über die wichtigsten
Arbeitsideen. Dabei wird der Leser alsobald feststellen können, daß
die einzelnen Begriffe, die ich ihm vorführen werde, ihm durchaus
geläufig sind, und daß er sich nur gewöhnen muß, sie als Arbeits-
ideen zu erkennen und gelten zu lassen. Die neue Verwendung dieser
Denkkategorien wird ihm anfangs vielleicht einige Schwierigkeiten
bereiten.
Ich unterscheide folgende Arten von Arbeitsideen:
a) Ideen zur Erfassung der Zuständigkeit des Wirtschafts-
lebens, man könnte vielleicht auch sagen: zur zweckmäßigen An-
ordnung der Phänomene in der Zeit.
Seit J. Stuart Mill ist ein sehr beliebtes Schema, in das man den
nationalökonomischen Stoff einordnet, die Unterscheidung von
Statik und Dynamik des Wirtschaftslebens. Vor allem die amerika-
nischen Nationalökonomen, wie J. B. Clark", arbeiten mit Vorliebe
mit ihnen, und was den Amerikanern in Europa Gefolgschaft leistet,
wie z. B. Jos. Schumpeter/Es ist zweifellos das dürftigste Schema,
da es nur die ziemlich nichtssagenden Kategorien: „so sein‘ und
„anders werden‘ zum Inhalte hat [be seine Verwendung ist statt-
haft, vorausgesetzt, daß sie in methodisch einwandfreier Weise ge-
schieht, was leider keineswegs immer der Fall ist. Allzuhäufig nämlich
werden die Arbeitsideen: statischer und dynamischer Zustand ver-
mengt mit den Realbegriffen Beharrung und Veränderung, und der
Autor spricht von der Statik und meint Traditionalismus, von Dyna-
mik und meint Progressismus. Wenn ich das Schema als solches,
d. h. als Arbeitsidee verwenden will, muß ich mir stets bewußt
bleiben, daß ihm keinerlei Erfahrungstatsache entspricht,
daß ich vielmehr einen Zustand — mag er einem traditionalistischen
AB. Clark, The distribution of wealth. 1899; idem, Essentials of Econo-
mics. Beide Bücher sind öfters aufgelegt.