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mit. Hat die Auseinandersetzung einen solchen Kern, so gleicht sie
der Note einer Bank, die Kontanten in Kasse hat: jede andere, aus
bloßen Begriffskombinationen entsprungene hingegen ist wie die Note
einer Bank, die zur Sicherheit wieder nur andere, verpflichtende Pa-
piere hinterlegt hat.“ (Dieses wundervolle Bild könnte vielleicht auf
die ganze nationalökonomische Schriftstellerei übertragen werden, und
man könrte hier alle „anschaulichen‘‘ Denker als die „Metallisten“
und alle „abstrakten‘“ [so besser als „rationale‘“] Denker als die
„Chartalisten‘“ im übertragenen Sinne kennzeichnen. Ich glaube in
der Tat, daß hier ein tieferer Einteilungsgrund für das nationalöko-
nomische Schrifttum gefunden wäre, als irgendeine „Geschichte der
nationalökonomischen Literatur‘ ihn enthält.)
Das Gesagte, ich wiederhole es, trifft für Natur- wie Geistwissen-
schaft gleichermaßen zu: aus den Lebensbeschreibungen Newtons,
Galileis und anderer großer Naturforscher wissen wir, daß ihnen
zunächst immer das „Ganze‘“ der Erkenntnis vor Augen gestanden
hat, ehe sie an die analytische Behandlung und Verarbeitung des
Stoffes gingen. Wenn jetzt die Husserl-Schule mit der Methode
ihres „ideirenden‘ Heraushebens des wandellos Geltenden in den
Dingen die „Intuition“ wieder stärker betont, so bedeutet das auch
nichts anderes als die Wiedereinsetzung eines durch die übertriebene
Abstraktheit, namentlich des Marburger Denkens, vernachlässigten, ich
möchte sagen: selbstverständlichen Verfahrens in sein Recht,
Und trotzdem ist der Zorn Max Webers, mit dem er den Mode-
Anschauungs-Denkern sein berühmtes Wort entgegenschleuderte:
„Wer Anschauung will, soll ins Kino gehen‘ durchaus berechtigt.
Es richtet sich gegen ‚diejenigen, die mit dem Begriffe „Anschau-
ung‘ Mißbrauch getrieben haben, die insonderheit das Erkennen
als „Nur-Anschauung‘“ aufgefaßt haben. Davon kann und darf
natürlich keine Rede sein. Wir müssen uns vielmehr immer bewußt
bleiben, daß wissenschaftliche Erkenntnis außer der Anschauung
immer auch der „Ratio‘“ bedarf, die ihr die kategoriale Fassung des
„Geschauten‘“ bereitstellt, ohne die es kein aufweisbares und vor
allem kein durch die Sprache übertragbares Wissen gibt. Und diese
kategoriale Fassung, diese Einspannung in ein Begriffssystem, gehört
natürlich zu dem ‚Verstehen‘ genau so notwendig, wie zu jeder