Die „richtige“ Wirtschaft mit Hilfe des Evidenzwissens fesistellen
würde also auf den Nachweis hinauslaufen, daß eine bestimmte Wirt-
schaft „notwendig“ sei, das heißt, daß keine andere sein kann. Wie
steht es damit? Sind die Versuche, die „richtige‘“ Wirtschaft evident
zu machen, deren es mehrere gibt, geglückt? Prüfen wir! Prüfen
wir vor allem die einzelnen Fälle. mit denen die Evidenz erwiesen
werden soll.
Offenbar sind die Anhänger des ontologischen Beweises sämtlich
des Glaubens, daß sie ihre Beweisführung auf evidentes Wissen
stützen. Denn sie wollen uns ja überzeugen, daß das „Gute“, das
„Ideal“, sich aus dem Gegenstande selbst „mit Notwendigkeit“ er-
kennen lasse, und daß damit das „Gesollte‘“ eindeutig bestimmt werden
könne. Darin irren sie aber. Die Gründe, die gegen diese Auffassung
sprechen, sind folgende:
ı. selbst das Ideal des KEinzelgegenstandes ist keineswegs
immer nur eines, wenigstens nicht im Bereiche der Kultur,
sondern hat mehrfache Möglichkeiten: Kunst! Staat! Wirt-
schaft!
angenommen, es sei eindeutig bestimmbar, so bleibt zweifel-
haft, ob es überhaupt sein soll oder nicht, was für praktisches
Handeln doch entscheidend ist: auch wenn ich den „König“
eindeutig bestimmen kann, fragt es sich immer noch: ob ein
König sein soll oder nicht; sicher hat auch das Sklaven-
verhältnis sein „Ideal“, und doch kann ich die Sklaverei ver-
dammen; wenn Aristoteles, auf den sich die Scholastiker
zuweilen in diesem Punkte berufen (ich sagte oben: zu Un-
recht), meint, daß man die Gegenstände nicht schlechthin.
sondern nach ihrem guten und vollendeten Zustande definiere,
z. B. einen Dieb als denjenigen, der heimliche Wege zu nehmen
weiß, daß sich also die Begriffsbestimmung des Diebes auf
den geschickten Dieb beziehe‘, so ist damit doch noch
nichts darüber ausgesagt, daß der Dieb ein „Wert‘“ sei, also
sein solle; man mache sich doch klar, daß man mit der Ab-
leitung der Werte aus dem Sein (oder Wesen) allenfalls zum
17 Aristoteles, Topica VI. 12 fin. Zitiert bei Spann, Kategorienlehre. S. 331.