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„Sollen“ des Gegenstandes, aber nicht zu meinem Sollen ge-
langt, und daß das auf die Einsicht in das „Wesen“ begründete
Werturteil eine Plattheit enthält, nämlich: daß ein vollkom-
menes Ding „wertvoller“ als ein unvollkommenes ist;
Ideale können in Widerspruch zueinander geraten: etwa die
heroische und die idyllische Wirtschaft, wie ich die beiden
Grundtypen nenne. Was dann? Welches ist die „richtige“
Wirtschaft?
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Also: bei aller Wertbestimmung aus dem Wesen einer Sache bleibt
die Tatsache bestehen, daß es verschiedene Möglichkeiten der
Gestaltung gibt, die uns vor die Notwendigkeit der Wahl stellen.
Damit ist aber die Evidenz ausgeschlossen, denn diese läßt nur eine
Möglichkeit zu. Diese Schwäche des ontologischen Beweises tritt mit
besonderer Deutlichkeit bei der Beweisführung Spanns zutage.
Spann macht daher die Widerlegung seiner Beweisführung,
die sich ganz im Rahmen des Evidenzwissens bewegt, leicht: er nimmt
sie selber vor. Wir sahen, daß er als die Aufgabe der National-
5konomie bezeichnete: die Frage zu beantworten „nach der wesens-
gemäßen, das heißt der besten Wirtschaftsgestalt“, die er an einer
anderen Stelle als die „wahrhaft mögliche‘“ der scHechthin „Mög-
lichen“ gegenüberstellt. Darunter kann ich mir nichts Rechtes vor-
stellen: etwas ist entweder möglich oder es ist nicht möglich. „‚Wahr-
haft“ möglich kann also nur ein Vorzugsurteil enthalten, wie es in
dem anderen Beiwort „beste‘‘ deutlichst zum Ausdruck gebracht wird.
Nun ist es aber „evident‘“, daß eine Sache entweder mit Hilfe eines
Vorzugsurteils als eine unter mehreren, das heißt als die „bessere“,
oder aber mit Hilfe des Evidenzurteils als die einzig mögliche, das
heißt die „richtige“, bestimmt wird. Entweder etwas ist „besser“
oder es ist „richtig“. Aber es kann nicht zugleich richtig und besser
sein: 2X 2 = 4 ist richtig, aber nicht besser, Dem „richtig‘“ entspricht
denknotwendig ein Gegenstand, dem „besser“ entsprechen ebenso
denknotwendig mehrere Gegenstände. Ich hoffe, mein liebenswürdiger
and geschätzter Kollege verübelt es mir nicht, wenn ich zur Kenn-
zeichnung seiner Beweisführung ein Scherzwort heranziehe, das den
Sachverhalt (Vermischung zweier Arten von Urteilen) in epieram-
matischer Zuspitzung ausdrückt: