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„Bin ich auch wirklich das einzige Mädchen, das du je geküßt
hast?“
„Ja, mein Schatz. Und dazu noch das hübscheste!“
Sollten die scholastischen Ontologen nun aber geltend machen, daß
die Eindeutigkeit der Zwecke ja durch die Ausrichtung sämtlicher
Einzelzwecke auf den finis ultimus gewährleistet sei, so wäre darauf
zu erwidern, daß mit dieser Hereinziehung des obersten Zwecks dert
Boden des Evidenzwissens verlassen ist. Denn dieser als ein transzen-
denter und inhaltlich bestimmter ist eben nicht evident, weil nicht
denknotwendig nur ein einziger. Was für den Gläubigen „evident“
ist, ist es noch nicht für den Verständigen, und nur auf diesen ist unser
Evidenzbegriff eingestellt. Die lex aeterna der Scholastik ist im ganzen
und im einzelnen nichts anderes als das aus Offenbarung und Tradition
gewobene System des christlichen Glaubens, den zu. einer Angelegen-
heit der logischen Denknotwendigkeit zu machen, mir als Blasphemie
erscheinen will.
v..Gottl bedient sich ehenfalls neben dem. Erfahrungswissen des
Evidenzwissens, um die „richtige“ Wirtschaft zu erkennen. Seine
„seinsrichtigen Werturteile‘‘, die er, wie wir sahen, beibehält, be-
treffen die „Volkswirtschaftlichkeit‘“ eines Gebarens, einer Maß-
regel, eines Vorgangs. Und er glaubt, Volkswirtschaftlichkeit ein-
deutig bestimmen zu können als „einfach das. was im Einklang
damit steht, daß sich in der Gestalt der Volkswirtschaft die Wirt-
schaft selber als Leben erfüllt, ihre Idee verwirklicht‘, was sie nach
folgender Formel tut: „lebensförderlichstes (!) Zusammenspiel aller
Erfüllungen im Gebilde, unter erschöpfender Auswertung alles Ver-
fügbaren“ '8, Ist damit wirklich eine bestimmte Wirtschaft eindeutig
bestimmt? Ich glaube nicht. Denn welche tausendfache Möglich-
keiten enthält allein das Wort „lebensförderlichst‘“ nach der quanti-
*ativen wie nach der qualitativen Seite hin. Das kann bedeuten: 40
und 60 Millionen Deutsche, reichliche und knappe Lebenshaltung,
Machtstellung und Abhängigkeit, Kommunismus und Kapitalismus,
Sklaverei und freies Arbeitsverhältnis, demokratische und aristo-
7 Friedrich v. Gottl, Volkseinkommen und Volksvermögen im ‚Weltwirt-
‚schaftlichen Archiv“ Band 26 (1927), S. 92/98.