Die neuen Zölle Englands
Was nun die Zollpolitik in der übrigen Welt, insbesondere auch
in den europäischen Staaten angeht, so haben wir bereits in unserer
allgemeinen Betrachtung vermerkt, welche Umstände zu der allge-
mein feststellbaren Tendenz der Zollerhöhungen nach dem Krieg
beitrugen. Besonders hervorzuheben für die allerletzte Zeit ist der
erneute Anlauf der englischen Protektionisten, nach dem Sturze des
Kabinetts Macdonald, den Safeguarding of Industries Act zu einer
Verwirklichung der Zollwünsche heranzuziehen. Die seit dem
Il. August 1924 beseitigten Mac Kenna-Zölle, die — zunächst als
bloße Kriegsmaßnahme beabsichtigt — einen 33!/, %igen Wertzoll
auf, Waren legten, die besonders drückendem Auslandswettbewerb
ausgesetzt schienen, wurden von dem neuen Kabinett Baldwin wie-
der nach kurzer Zeit hergestellt, freilich unter der Zusicherung, daß
sie nur nach besonderen Nachweisungen der betroffenen Industrien
an die behördlichen Stellen erwogen werden würden. Der Begriff
„ruinöser Auslandswettbewerb“ ist aber auch hier ein sehr dehnbarer
und relativer Begriff. Die Beurteilung von Eingaben seitens der
Industrie und industrieller Verbände ist stets von der subjektiven
Einstellung der die Eingaben prüfenden Behörde abhängig. Als Mr.
Churchill zu Ende April 1925 die Wiedereinführung der Mac Kenna-
Zölle auf Automobile verkündete, konnten Gegner der Maßnahme
darauf hinweisen, daß in England die Herstellung von Passagier-
autos von zirka 40000 im Jahre 1922 auf 107000 im Jahre 1924 ge-
stiegen war, und daß im Jahre 1923 von 99000 registrierten Wagen
62000 britischen Ursprungs, dagegen im Jahre 1924 von 124000 Wa-
gen fast 90000 britischen Ursprungs waren, so daß sich der Anteil
der englischen Industrie an der heimischen Versorgung durchaus
nicht verringert, sondern gehoben hatte.’®) Aber diese Tatsachen
haben an der Einführung der Zölle ebensowenig geändert, wie ähn-
liche Einwendungen bezüglich der 33!/,%igen Spitzenzölle, die am
ti. Juli 1925 in Kraft getreten sind.’®) oder der Zölle auf Kunstseiden-
erzeugnisse.9)
78) Vgl. die Darstellung im Economist vom 25. April 1925, S. 801
und vom 2. Mai, S. 846.
79) „The Lace Duty Scandal“ im Free Trader. Juli 1925, S. 175ff.
80) Vgl. u. a. Manchester Guardian Commercial vom. 9. Juli 1925.
S. 35. Nach Abschluß dieser Arbeit wurden Zölle auf Stahlwaren, Glüh-
strümpfe und Handschuhe eingeführt.
772