Full text: Der Weltmarkt 1913 und heute

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Es ist von vorneherein klar, daß der Weltkrieg und seine Fol- 
gen auch hier der industriellen Überseentwicklung zugute kommen 
mußten. Auch hier wirkte ja die teilweise Abschneidung von der 
europäischen Zufuhr sowie die Verknappung .aller europäischen 
Waren als ein Stimulus, sich von andern Märkten her einzudecken, 
soweit diese exportfähig waren. Dabei spielte nun weder die Preis- 
frage noch die Qualitätsfrage die Rolle wie zuvor. Wichtiger war 
es, Waren überhaupt zu erhalten. Benachbarte überseeische Gebiete 
und solche, die durch einen noch unbehinderten Seeweg Verbin- 
dungen hatten, sahen sich im Austausch ihrer Erzeugnisse begün- 
stigt, gewissermaßen durch die europäische Verwirrung näher ge- 
rückt. 
Europa als Schuldnerland 
Unzweifelhaft haben von dieser Entwicklung wiederum die Ver- 
einigten Staaten, neben Japan, den englischen Dominions und In- 
dien, am meisten profitiert. Man kann zwar dritte Märkte nicht 
durch Schutzzollpolitik erobern wie den heimischen, aber der finan- 
ziell erstarkende Staat hat stärker als verarmende Länder ein an- 
deres Mittel zur Hand, das im Frieden — mit einem gehässigen 
Sinn gegen Deutschland so genannt — als „peaceful penetration“, 
friedliche Durchdringung bezeichnet wurde und seit dem Weltkrieg 
von der amerikanischen Union im stärksten Maße für sich selbst 
in Anspruch genommen worden ist. Die Stellung der europäischen 
Staaten vor dem Kriege war nach den Ausführungen von Prof. 
Franz Eulenburg %) dahin zu charakterisieren: Europa hatte für die 
wirtschaftliche Erschließung der Welt allenthalben den Anstoß ge- 
geben, Eulenburg berechnet, daß vor dem Kriege jährlich 10 Mil- 
liarden Goldmark in die übrige Welt, einschließlich der Vereinigten 
Staaten von Amerika, strömten. Nach dem Kriege ist Europa Schuld- 
nerland geworden, Nicht nur auf das verarmte Deutschland trifft 
dies zu, sondern auch auf Frankreich, das, wenn es seinen Ver- 
pflichtungen nachkommen wollte, jährlich etwa 11/2, Milliarden an 
Amerika zu zahlen hätte, während wir von England konstatieren 
konnten, wie seine Stellung als Kreditgeber durch die Verschlech- 
terung‘ seiner Zahlungsbilanz heute ihre einstige Bedeutung einge- 
83) Vgl. Eulenburg, Die Verschiebung des weltwirtschaftlichen 
Schwergewichts. In: „Die Weltwirtschaft‘, Juli 1925. S. 122. 
Levv., Weltmarkt
	        
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