Das Stromgebiet des Blauen Nils
Der verwundete Räuber — Amba Oschibdschiba — Meneliks Vertrag
mit Großbritannien — Die Woitos — Legenden vom Tand⸗See
Ja Jenda gab es noch andere interessante Dinge außer den
Falaschas. So befand sich dort zum Beispiel ein ver—
wundeter Räuber, der die Veranlassung zu einer mehrtägi—
gen Verzögerung unserer Abreise nach dem Tana⸗See wurde.
Der Mann war in Baurs Behandlung gewesen seit dem
Tage seines Besuches in Gondar. Während der Abwesenheit
des Missionars war eine Gruppe von Räubern bei der Mis—
sion erschienen, aber bevor sie dort eindringen konnten, war
ein Streit unter ihnen entstanden, der mit einer allgemeinen
Schießerei abschloß. Als Baur zurückkehrte, fand er den An—
geschossenen mit von Würmern zerfressenen Wunden in einer
Hütte in der Nähe der Mission. Die sachgemäße Sorgfalt,
mit der er ihn zu behandeln versuchte, wurde von den Ver—
wandten des Kranken durchkreuzt. Sie rissen den Verband
ab, warfen die schweren Sandsäcke, die Baur benutzt hatte,
um dem Bein eine sichere Lage zu geben, beiseite und riefen
einen Priester herbei, der mit seinen Amuletten helfen sollte.
Zweimal am Tage gingen wir in die Hütte, um die Wun—
den auszuwaschen und den Verband zu erneuern. Der Ge—
ruch des verfaulten Fleisches, der Kuhdünger der Hütten—
wände und der zur Abwehr böser Geister verbrannte Weih—
rauch vereinigten sich zu einem schrecklichen Gestank. Da wir
kein Material besaßen, um einen Gipsverband zu machen,
packten wir den armen Teufel in roten Ton und banden ihn
an seinem Lager fest, und zwar so, daß seine Freunde die
Knoten nicht lösen konnten. Die Frauen, die auf des Mannes
Stöhnen horchten, hatten gewiß den Eindruck, daß Baur den
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