erzählte mir, daß kurz vor meinem Besuch einer von Ras
Gugsas Schums sich erhoben, eine Bande bewaffneter Leute
um sich versammelt und mit diesen Karawanen überfallen
habe. Man begegnet in dem Distrikt auch dem Glauben, daß
Ras Gugsa selbst Nutzen aus diesen Banden zieht. Wenn sie
gefaßt werden, bringt man sie nach Debra Tabor, von wo sie
nur gegen Lösegeld wieder freigelassen werden.
Zwischen unseren Pflegebesuchen bei dem verwundeten
Räuber ritten wir in die Umgegend, um uns solche Orte an—
zusehen, die irgendwie in der abessinischen Geschichte eine
Rolle spielen. Von Jenda glaubt man, daß es älter ist als
Gondar. Seine Ruinen sind weniger gut erhalten als die der
alten Hauptstadt. Vierzehn Abunas sind auf dem bei der
St.Georgs-Kirche liegenden Friedhof begraben. Hinter dem
Missionsgebäude finden sich Überbleibsel des Lagers von
König Theodor, in dem er einst den Knaben, der später Me—
nelik V. wurde, gefangen hielt.
Einer unserer Ritte führte uns nach Amba Oschibdschiba,
einem Berge, der als Landmarke dient und zugleich einen
borzüglichen Ausblick auf das ganze umliegende Land bietet.
Zu seinen Füßen liegt der riesige glänzende Spiegel des
Tana⸗Sees. In die gewaltige Wasserfläche desselben ragen
viele Halbinseln hinein, deren grüne Wiesen von grasendem
Vieh bedeckt sind. Der Berg selbst dient dem gleichen Zwecke
wie die indischen Türme des Schweigens. Rund um die
Kirchenhütte auf seiner Spitze befindet sich ein Begräbnis—
platz, auf dem aber selten ein Grab gegraben wird. Hier
liegen die Leichname, die man, festgebunden auf dem Lager,
auf dem der Tod eingetreten ist, hinaufgetragen und auf den
Abhang des spitz zulaufenden Berges niedergelegt hat, um
den Aasfressern, nach denen der Berg seinen Namen trägt,
74