Full text: Zukunftsmöglichkeiten deutscher Steuer- u. Finanzpolitik

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Vollends katastrophal wäre ein Reichsbankrott, der seine Wirkung auch auf 
die von der Reichsbank diskontierten Reichsschatzanweisungen erstreckte; denn 
er risse unrettbar die Reichsbank in den Strudel hinein, und mit dieser 
Säule unseres ganzen Geld- und Kreditsystems und Wirtschaftslebens stürzte 
dieses vollkommen zusammen. 
Milder in ihren Wirkungen und auch eher zu entschuldigen wäre eine 
alsbaldige Zwangskonvertierung der Kriegsanleihen auf 3 l A oder 4 v. H. 
Ich habe schon in der „Deutschen Juristen-Zeitung" vom 1. Januar 1916 es 
als übereilt bezeichnet, daß man von vornherein bei den Kriegsanleihen zum 
fünfprozentigen Typ gegriffen und namentlich, daß man sich bis 1924 auf 
diesen Zinssatz festgelegt hat. Indem man an diesem Termin auch für die 
späteren Kriegsanleihen festhielt, ist man auch zu einer Benachteiligung der 
letzteren gegenüber den früheren gelangt; denn nun ist der Zinssatz von 5 v. H. 
einer Anleihe von 1918 auf 6, einer von 1914 aber auf 10 Jahre gewähr 
leistet. Es wäre, abgesehen von dem leider einmal gegebenen Versprechen, 
wohl zu rechtfertigen, fünf Jahre nach Begebung jeder Kriegsanleihe eine 
Zinsherabsetzung vorzunehmen. Finanziell spränge freilich für das Reich 
hieraus im Verhältnisse zu seinem Bedarf und zu einer wenigstens teilweisen 
Kapitalherabsetzung oder zeitweisen Einstellung der Verzinsung oder allge 
meinen Konvertierung nicht gar zu viel heraus. Aber schließlich muß man 
auch kleine finanzielle Vorteile mitnehmen. 
Für den Augenblick brächte eine sehr starke Entspannung der Finanz 
lage auch eine völlige oder teilweise Aussetzung der Zinszahlung mit 
späterer Nachzahlung, mit anderen Worten ein Moratorium, das über 
haupt nicht unter den Begriff des Bankrotts füllt. Aber wenn es 
helfen sollte, müßte der Zeitraum dieses Moratoriums ein sehr geräu 
miger sein, und dann hätte es für nicht kapitalkräftige, zur vorzeitigen 
Abstoßung ihrer Cchuldtitel gezwungene Gläubiger wenn nicht die 
selben Wirkungen wie eine mehrjährige definitive Einstellung des Zinsen 
dienstes oder eine Kapitalreduktion, so doch ebenfalls perniziöse. Der 
Reichshaushalt aber würde schon für die Zukunft mit einer neuen gewal 
tigen Last beschwert. Der letztere Nachteil wäre noch verhältnismäßig am 
geringsten, wenn die Aussetzung der Verzinsung mit der 1924 möglichen Kon 
vertierung der Reichsanleihen in zeitlichen Zusammenhang gebracht würde, 
etwa so, daß bis dahin nur ein Teil der Zinsen gezahlt, die nichtgezahlten aber 
nach der Konvertierung nach und nach nachgezahlt würden. 
Will das Reich den ernstlichen Versuch machen, Treu und Glauben zu 
wahren und der Volkswirtschaft die neue Katastrophe eines Reichsbankrotts 
zu ersparen,dann muß man sich viererlei klarmachen: erstens,daß Reich und Ein 
zelstaaten endlich in ihren Ausgaben sparsamer werden müssen; zweitens, daß 
die „Sozialisierung" von Gewerbebetrieben dazu dienen muß, dem Reiche 
Einnahmen zuzuführen; drittens, daß mit Steuern von bisher landläufigen 
Begriffen einer noch erträglichen Belastung nicht auszukommen ist, und 
viertens, daß der Gedanke einer Einschränkung der indirekten Steuern und 
der Wälzung der Hauptlast auf die direkten eine glatte Utopie ist, ein Gedanke 
übrigens, der auch nach einem ja ohnehin selbst schon wie eine effektive 
Vermögenssteuer oder hohe Kapitalrentensteucr wirkenden Staatsbankrott 
nicht zu verwirklichen wäre. 
Von einer Wiederkehr der Sparsamkeit in den öffentlichen Finanz 
gebarungen, deren man sich nach dem Vorgang der Militärverwaltung wäh-
	        
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