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renb des Krieges und zuletzt unter dem Einflüsse des die finanziellen Folgen
in unbegreiflicher Weife ignorierenden Hindenburg-Programms gründlich ent
wöhnt hatte, und zu welcher ich schon vor 4'A Jahren in dem obenerwähnten
Artikel mahnte, der deshalb den Ausgangspunkt für allerhand mir vom
preußischen Kriegsministerium bereitete Unannehmlichkeiten bildete, ist vor
läufig noch nicht viel zu spüren. Im Gegenteil, so verschwenderisch ist mit
den öffentlichen Mitteln während des ganzen Krieges nicht umgegangen
worden, wie seitens vieler durch die Revolution ans Ruder gekommenen
Organe, wie von Arbeiter- und Soldatenräten, von der in ihrer jetzigen
Gestalt der Rückkehr zu der so dringend notwendigen Arbeit schnurstracks ent
gegenwirkenden Erwerbslosenfürsorge gar nicht zu reden.
Es besteht aber auch die allergrößte Gefahr, daß der Versuch gemacht
wird, die Sozialisierung von Betrieben nur dazu zu benutzen,
den Arbeitern noch höhere Löhne und den entscheidenden Einfluß auf
den Betrieb zu verschaffen, einen Einfluß, den sie gewiß nicht in erster
Linie für die Rentabilität des Betriebes zugunsten des Reiches ein
setzen würden. Soll die Sozialisierung in Einklang mit unserer Finanz
lage gebracht werden, dann muß ihr Ziel die bei auskömmlicher Lage
der Arbeiter größtmögliche Rentabilität der Unternehmen für Reich und
Staat sein. Dieses Ziel würde aber sicher nicht erreicht, wenn es nicht
gelingt, die für die Leitung dieser Unternehmen technisch und kaufmännisch
erfahrensten und weitblickendsten Männer zu erhalten. Dank dem Kriege,
den Waffenstillstandsbedingungen und den unausgesetzten inneren Unruhen
sind die früher so gewinnbringenden Staatsbetriebe, wie der größte unter
ihnen, die preußisch-hessischen Staatseisenbahnen, in Grund und Boden ge-
wirtschaftet. Es ist eine der dringendsten Aufgaben von Reich und Staat,
ihre bisherigen Betriebe — das Reich seine künftigen Reichseisenbahnen —
nicht nur wieder auf den früheren Stand der Ergiebigkeit zu bringen, sondern
noch weit darüber hinaus, und daneben geeignete andere Unternehmungen
in ihren Besitz zu überführen, um den bisher Privatunternehmern oder
Gesellschaften zugeflossenen Gewinn nicht etwa zugunsten der natürlich aus
kömmlich zu entlohnenden Arbeiter zu verpulvern, sondern zur Minderung
des ungeheuren Steuerdrucks der Allgemeinheit zuzuführen.
Wenn überhaupt noch eine Möglichkeit besteht, den Reichs- und Staats
bankrott mit seinen für das Wirtschaftsleben vernichtenden Folgen zu ver
meiden, was ich kaum noch zu hoffen wage, so nur durch weitgehendste Betei
ligung von Reich und Stat an wirtschaftlichen Erwerbsunternehmungen, sei
es in Form des Monopols, sei es in der gemischter Unternehmungen. Durch
eigentliche Steuern läßt sich meines Erachtens ein Gleichgewicht im Reichs
und Staatshaushalt überhaupt nicht mehr herstellen, ohne in allerkürzester
Zeit zur Erschöpfung aller Steuerquellen zu gelangen.
In der S t e u e r p o l i t i k muß, je höher die Steuerlast ist, um so mehr
das Ziel sein eine Lastenverteilung nach der individuellen Leistungsfähigkeit,
dergestalt, daß die Steueropfer für alle Steuerträger tunlichst gleichempfindlich
sind. Man rühmt den direkten Steuern wohl nach, daß sich mit ihnen mehr
als mit indirekten dieses Ziel erreichen lasse. Aber dieser Vorzug verflüch
tigt sich bei zu starker Hochspannung der direkten Steuern. Je höher die
Eesamtsteuerlast ist, um so mehr muß ihre Verteilung individualisiert werden,
und zu dieser Individualisierung reichen obrigkeitlich veranlagte Steuern
nicht aus. Auch die feinstausgebildeten Einkommen- und Vermögenssteuern