haupt nicht imstande, den Eintritt dieser Reife auch in ent- fernter Zukunft abzusehen, welchen Sinn hat dann ihre so- zialistische Propaganda unter den Massen? Welchen Sinn hat es, den demokratischen Rechtsstaat in den düstersten Farben zu schildern als einen sicheren Weg zur Verelendung der Werktätigen, die sozialistische Ordnung aber in den leuchtendsten Farben zu malen — und zum Schlusse dieser ganzen Propaganda dennoch die Werktätigen aufzufordern, hübsch artig zu warten, bis die Gesellschaft für den Sozia- lismus reif werden wird? Weigern sich aber die durch die Propaganda aufgestachelten Volksmassen auf den Eintritt lieser besseren Zukunft untätig zu warten, so dürfen die So- zialisten‘ nicht die Hände in Unschuld waschen und er- klären, sie könnten nichts dafür, sie hätten den Massen zu warten geraten. Freilich, auch Marx gab nicht jedem Ar- beiteraufstand seinen Segen, doch ist seine Propaganda von dem festen Glauben an den nahen Triumph des Sozialismus durchglüht, und dieser tatenfrohe, tief revolutionäre Charak- ier seiner Lehre läßt sich durch keine zufälligen Zitate aus seinen Schriften vertuschen. Glauben sich aber die Sozialisten vom rechten Lager zum Kampf um konkrete Interessen der Arbeiterschaft berufen, so brauchen sie diese nicht erst durch das sozialistische [deal zu blenden. Das, was uns erst in; ferner Zukunft er- wartet, kann man wohl in gelehrten Büchern schildern, man soll aber darüber nicht auf der Straße reden. In der Politik gilt die Sorge dem Tage. Wer wollte die Bedeutung bezweifeln, die die Trade-Unions für die englische Arbeiterbewegung haben, — und doch marschieren sie nicht einmal unter der roten Fahne. Dem Geiste des revolutionären Marxismus werden, unserer Ansicht nach, nicht die Sozialisten des rechten, sondern die des linken Flügels gerecht. Nur bei diesem weichen Theorie und Praxis wirklich nicht voneinander ab. Ist der Sozialismus ein Glück, so muß man ihn nicht erträumen — sondern aufbauen. Die schöpferischen Kräfte der neuen Ordnung werden zutage treten und die Welt umwandeln, mag auch die Wirklichkeit heute noch nicht in allen Teilen dem aufgestellten Entwicklungsschema entsprechen. Selbst das größte Genie kann nicht die ganze Vielgestaltigkeit der menschlichen Entwicklung voraussehen. Schon die Möglich- reit der sozialen Revolution. schon der Umstand, daß das Prole- R7