248 GEOGRAPHISCHE STAATENKUNDE Zeit gewährleisten. Sie bestehen in dem Gefühl der Rassen-, Sprachen- und Gesittungsgemeinschaft, das, abgesehen von Indien, alle großen und wichtigen Teile des Weltreiches miteinander verbindet, in einer Jahrhunderte zurückreichenden Tradition, die einen selbstbewußten Nationalstolz nährt, und vor allem in dem Bedürfnis des gegenseitigen Schutzes, den keiner der einzelnen Teile des Reiches zu entbehren vermag. Die Voraussetzung für die Gewährung dieses gegenseitigen Schutzes ist aber bei der ozeanischen Struktur des Britischen Im- periums die Beherrschung des Meeres, sein wichtigstes Instrument also die englische Kriegsflotte. Aber gerade in diesem wichtigen Punkte hat sich seit dem Kriege eine wesentliche Änderung ‘vollzogen. Eng- land hat die frühere absolute Überlegenheit zur See nicht erhalten können, sondern mußte sie den Vereinigten Staaten gegenüber auf- geben, indem es diesen im Washingtoner Abkommen die gleiche Stärke der Kriegsflotte zugestehen mußte. Daraus geht hervor, daß die Sicherheit des Britischen Weltreiches nicht mehr allein in diesem selbst ruht, sondern daß sie mit bestimmt wird von dem Grade des guter Einvernehmens mit dem angelsächsischen Reiche der Neuen Welt. Wie ernst aber dieses die Bestimmungen des Washingtoner Abkommens nimmt, hat erst jüngst sein Eingreifen in das Abenteuer des beab- sichtigten englisch-französischen Militärbündnisses und seine Stellung zu den gegenwärtigen Erörterungen der Abrüstung zur See mit ge- nügender Deutlichkeit gezeigt. In der Tat ist die Union auf dem Wege, Englands Raum- und Machtbereich wesentlich einzuschränken. Sie hat nicht nur in ihrem, ein politisches Programm bedeutenden Namen und in der sogenannten Monroedoktrin (vgl. S. 260) ihre Besitzansprüche auf den ganzen ameri- kanischen Kontinent angemeldet, sondern auch mit dem Erwerb der Hawaii-Inseln und der Philippinen den Fuß in den Pazifischen Ozean hinausgesetzt. Durch Einmischung in den europäischen Krieg hat sie auch den Atlantischen Ozean schon überschritten, und das so erfolg- reich, daß sie infolge ihrer unerschöpflichen natürlichen Hilfsquellen in diesem Kriege zum Schlusse sogar den entscheidenden Einfluß aus- geübt und die politische Führung an sich gerissen hat. Allerdings scheint neuerdings die Politik der Vereinigten Staaten wieder das Hauptgewicht auf die Verfolgung der alten, rein amerikanischen Ziele zu legen und den Ausbau zu einer „westhemisphärischen Groß- macht“ zu erstreben. Wie weit ihr das gegenüber Kanada und den südamerikanischen Staaten gelingt, muß erst die Zeit lehren. Immer- hin wäre es möglich, daß England dem amerikanischen Druck im Westen weicht und sich auf die Festigung seines atlantisch-mittelmeerisch- indischen Machtblocks beschränkt. Es wäre dann seiner Lage nach die „mittlere Weltgroßmacht“, der man vielleicht Japan als ost- hemisphärische Großmacht zur Seite stellen könnte. Neben den gegenwärtigen Großmächten und denen, die sich als solche fühlen, gibt es eine Reihe politischer Gebilde, die unverkennbar die Keime künftiger Großmachtstellung in sich tragen. Es handelt sich vor allem um die südhemisphärischen Länder Australien, die Südafrikanische Union und die ABC-Staaten Südamerikas, besonders Argentinien. Große, landwirt- schaftlich und zum Teil auch bergmännisch oder industriell stark entwicklungs