70 5. Kapitel. Kapitalbildung und Börsenspekulation. Es ist zum Beispiel denkbar, ja wahrscheinlich, daß die Börsenhausse mit ihrer Einwirkung auf die indu- strielle Konjunktur zufällig mit einer starken Rationali- sierungswelle zusammenfiel, so daß die inflationistische Wirkung der zusätzlichen Kaufkraftschöpfung sich nur in der Verhinderung sonst eingetretener Preissenkun- gen auswirkte, Inzwischen ist übrigens auch in Amerika der Konjunkfurrückgang, dessen Vorspiel die Börsen- deroute war, in vielen Industrien in Erscheinung ge- treten. Er wird sich um so stärker bemerkbar machen, je mehr, was aber keineswegs feststeht, die industrielle Hochkonjunktur erst durch die Börsenhausse künstlich angeregt wurde. Es liegt gerade eine große Gefahr einer Börsenhausse darin, daß die Unternehmungen zu leicht sich Kapital beschaffen können, sei es, daß sie selbst das Aktienagio ausnutzen, sei es, daß sie es den Aktionären überlassen und dadurch einen Änreiz zu weiteren Kapitalinvesti- tionen geben. Das gilt aber ganz einseitig für börsen- gängige Aktien, also für verhältnismäßis wenige große Unternehmungen. Anderen Kapitalnachfragenden, ins- besondere kleineren und mittleren Unternehmungen, wird dadurch die Kapitalbeschaffung verteuert, Ganz allgemein ist zu sagen: Es ist ein gewaltiger volkswirt- schaftlicher Irrtum, der aber leider sehr bezeichnend für die Einstellung eines großen Teiles unserer Finanz- presse ist, daß durch die Börse das Geldkapital an die Stellen geleitet werde, wo es volkswirt- schafflich mit größtem Nutzen verwendet werden kann. Gewiß ist die Spekulation auch sehr rührig und geschickt in der Aufsuchung der rentabelsten Unterneh- mungen und Erwerbszweige, Äber gerade sie denkt immer nur an Gewinne innerhalb ganz kurzer Zeit. Sie denkt nicht an Gewinne aus den Unternehmungen, son- dern an Gewinne aus Preisdifferenzen, Aber selbst das nicht spekulative, sondern anlage- suchende Börsenpublikum hat als Objekt nur das rela-