Vorwort. IA ich von Rehmkes Meinungen ab, wiewohl ich auch in dieser Hin- sicht seinen Darlegungen viel verdanke. Im dritten Kapitel konnte ich Rehmkes meisterhafte Untersuchung „Einzelwesen und Tätigkeit“ („Anmerkungen zur Grundwissenschaft“) benützen, doch ergab sich mir eine andere Bestimmung der „Tätigkeit“ als „bewußten Wirkens“ mit der Bezugnahme auf den emotionalen Seelenaugenblick „Streben“. Deshalb möchte ich auch noch bemerken, daß meine Untersuchungen des Gegebenen „Verhalten“ und aller sonstigen im dritten Kapitel zer- gliederter Gegebenen durchaus selbständig sind. Zu den eigentlichen Problemen der „Gesellschaftslehre“ hat Rehmke nur in seiner „Grund- legung der Ethik als Wissenschaft“ (1925) in Kürze Stellung genommen. Meine gesellschaftswissenschaftlichen Bestimmungen gehen jedoch einen ganz anderen Weg und führen zu ganz anderen Ergebnissen. In diesem Zusammenhange möchte ich auch meine Dankbarkeit gegenüber Max Weber aussprechen. War es doch Max Weber, der mir in seinen im Sommersemester 1920 an der Wiener Universität gehaltenen unvergeßlichen Vorlesungen zum ersten Male die Größe und Wichtigkeit der gesellschaftswissenschaftlichen Probleme vor Augen führte. Auch verdanke ich seinen gesellschaftswissenschaftlichen Werken unschätzbare Anregung und Schärfung des Blickes. Wenn ich nun auch heute in meinen gesellschaftswissenschaftlichen Untersuchungen zu anderen Ergebnissen gelange als Max Weber, so glaube ich den- noch keine falsche Behauptung aufzustellen, wenn ich sage, daß meine „Allgemeine Gesellschaftslehre“ in der Richtung der Untersuchungen Max Webers liegt, die infolge des frühen Todes dieses seltenen Mannes leider ein Torso geblieben sind. Ging doch auch Max Weber vom Gegebenen „Verhalten“ aus und hielt alle „Weltanschauungs-Soziologien“ für unnützes Gerede. Auch Hans Kelsens möchte ich an dieser Stelle in tiefer Dank- barkeit gedenken. Ein erbitterter Streit hat leider mein Verhältnis zu diesem hervorragenden Forscher durch mehrere Jahre tief getrübt, nichts aber kann mich glücklicher machen als die Tatsache, daß dieser Streit nunmehr sein Ende gefunden hat. So gedenke ich jetzt nicht nur mit reinster Freude der weitgehenden freundschaftlichen Förderung, die Kelsen mir oft zuteil werden ließ, sondern auch der zahlreichen Anregungen, die sich für mich durch die jahrelangen engen Beziehungen zu Kelsen und allen Angehörigen seines Wiener Kreises, insbesondere auch zu Alfred Verdroß, ergeben haben. Es waren Jahre auf gemeinsamem wissenschaftlichen Streben aufgebauter Freundschaft, die ich in diesem mir für immer unvergeßlichen Kreise verbringen durfte. Wenn ich mich auch von den Gedanken, die uns damals beherrschten, in vieler Beziehung weit entfernt habe, so bin ich mir doch stets be- wußt. daß ich erst durch Kelsen und seine Freunde und Schüler zum