I. Kapitel. und zwar zur „Erfahrung“ zu bringen. Während sich in jedem „Wissen- schaft-Streben“ eine Unlust daran findet, daß ein bereits gewußter Gegenstand unklar gewußt ist, findet sich in jedem „Forschung- Streben“ eine Unlust daran, daß Ungewißheit besteht, ob ein be- sonderer Gegenstand sich überhaupt in der Welt findet. Alles Tun, mit welchem auf „Erforschung“ gezielt wird, ist ausschließlich ein sogenanntes „äußeres Tun“, z. B. „experimentieren“, „eine Forschungs- reise machen“ usw. usw. Sind aber „Wissenschaft-Streben“ und „For- schung-Streben“ verschiedenes Streben, so stehen sie doch insofern in enger Beziehung, als einerseits durch das „Forschen“ dem „Wissen- schaft‘ betreiben“ stetig neue Gegenstände überliefert werden, anderer- seits aber das „Wissenschaft betreiben“ häufig zur Ungewißheit führt, »b besondere Gegenstände in der Welt vorhanden sind, ; Die „Wissenschaften“ besondern sich nun ausschließlich nach dem in ihnen Gegebenen, da durch solches Tun, mit welchem auf „Wissen- schaft“ gezielt wird, keine neuen Gegenstände „erzeugt“ werden, dem ‚Wissenschaft-Streben“ keine „Erzeugung von Gegenständen“, sondern lediglich „Entwicklung unklaren Wissens um einen Gegenstand zu klarerem Wissen um jenen Gegenstand“ aufgegeben ist. Als „Ge- gebenes“ bezeichnen wir aber überhaupt alles „Vorhandene“ als Gewußtes, das Wort „Gegebenes“ ist also ein Wort, das „Besonderes als Gewußtes“ trifft, somit ein „Sinnwort“. Ist es nun unsere Aufgabe, zu Wissenschaft um das Gegebene „Gesellschaft“, zu „Gesellschafts- Wissenschaft“, zu gelangen, so müssen wir, da „Gesellschaft“: dem vorwissenschaftlichem Wissen durchaus unklar gegeben ist, zunächst ibersehen, was sich uns überhaupt an Gegebenem bietet, Zur Ge- winnung einer solchen für das Unternehmen einer Gesellschafts-Wissen- schaft unumgänglichen Übersicht gehen wir aber aus von jenen tief- gründigen, durch nüchterne Zergliederung des Gegebenen gewonnenen Gedanken, die Johannes Rehmke als „Grundwissenschaft“!) dar- gelegt hat. Durch den Anschluß an die grundwissenschaftliche Lehre wird aber das Unternehmen einer „Gesellschafts-Wissenschaft“ keines- wegs mit „Dogmen“ belastet, mit „Meinungen“, die man hinnehmen muß, ohne sie wissenschaftlich erörtert zu haben. Denn jene Ge- danken, welche wir der grundwissenschaftlichen Lehre entnehmen, be- treffen insgesamt Gegebene, die jeder Wissende überhaupt im Blicke hat und hinsichtlich welcher sich jeder Wissende zu Klarheit durch- gerungen haben muß, wenn er überhaupt „Wissenschaft“, insbesondere ı) Johannes Rehmke, „Philosophie als Grundwissenschaft‘‘, ı. Auflage 910, 2. Auflage 1928. Vgl. ferner: „Anmerkungen zur Grundwissenschaft‘, z. Auf- age 1925; „Logik oder Philosophie als Wissenslehre‘‘, 2. Auflage 1923; „Lehrbuch der allgemeinen Psychologie‘, 3. Auflage 1926; „Grundlegung der Ethik als Wissenschaft“, [925, U. a.