232 V. Kapitel. Diese „grammatischen‘“ Lehren vom Gegebenen „Anspruch“ leiden aber an demselben Irrtume, wie die „grammatischen‘“ Lehren vom Ge- gebenen „Urteil“, nämlich an der Verwechslung des Sinnes beson- derer Wollen- und Streben-Augenblicke mit den Besonderheiten jenes Körperlichen, welches auf Grund jenes Wollens verwirklicht wird. Fragen wir uns zunächst, was mit dem Worte „W unschsatz“ bezeichnet werden kann, so müssen wir an einen Satz denken, der im Gegensatze zu anderen Sätzen, insbesondere zu „Gedankensätzen“ steht, und zwar wäre offenbar „Wunschsatz“ ein Satz, mit welchem jemand einem Anderen einen ihm selbst — dem Behauptenden — .zu- gehörigen Wunsch, „Gedankensatz“ hingegen ein Satz, mit welchem jemand einen ihm zugehörigen Gedanken bedeuten würde. Die Unterscheidung von Sätzen, mit welchen ein Wunsch behauptet wird, und Sätzen, mit welchen ein Gedanke behauptet wird, kann sich jedoch wieder entweder anlehnen an die Behauptung des Umstandes, daß so- wohl eigene Gedanken als auch eigene Wünsche bedeutet werden können, ohne daß jede dieser Bedeutungen eine besondere Satzform darstellen würde, oder an die Behauptung des Umstandes, daß jener, der einem Anderen einen eigenen Gedanken bedeutet, und jener, der einem Anderen einen eigenen Wunsch bedeutet, von je besonderer Satzform (von je besonderem „Bezeichnungskörperlichen“) Gebrauch macht. Im ersteren Falle ist mit der Unterscheidung der Gedanken- sätze von den Wunschsätzen ein Unterschied des Bedeutungssinnes besonderer Behauptungen gemeint, im letzteren Falle hingegen ist mit jener Unterscheidung ein Unterschied von Satzformen (von „Be- zeichnungskörperlichem“) gemeint. Nun wird es gewiß niemandem beifallen, zu leugnen, daß jemand einem Anderen entweder bedeuten kann, daß ihm, dem Bedeutenden, ein besonderer Gedanke zugehöre. oder auch einem Anderen bedeuten kann, daß ihm, dem Bedeutenden, ein besonderer Wunsch zugehöre. Behauptet etwa A gegenüber dem B in Bedeutungsabsicht: „Ich glaube, daß es morgen regnen wird“ so urteilt oder lügt A den selbstbewußten Gedanken, daß ihm, dem A, der Glaube (der Gedanke) zugehöre, „daß es morgen regnen wird“, und er bedeutet dem B, daß ihm, dem A, dieser Gedanke an morgigen Regen zugehört, er strebt also danach, dem B den Gedanken zugehörig zu machen, daß A den Gedanken habe, „daß es morgen regnen wird“. Behauptet aber etwa A gegenüber dem B in Bedeutungsabsicht: „Ich wünsche, daß es morgen regnet“, so urteilt oder lügt A den selbst- bewußten Gedanken, daß ihm, dem A, der Wunsch zugehöre, „daß es morgen regnet“, und er bedeutet dem B, daß ihm, dem A, dieser Wunsch nach Regen zugehört, er strebt also danach, dem B den Ge- danken zugehörig zu machen, daß A den Wunsch nach Regen habe. Es jet also sowohl der in Behauptungsabsicht bewirkte Satz: „Ich glaube.