my. V. Kapitel. Irrtum zugrunde liegen muß, erhellt schon aus der einfachen Erwägung, daß „Wünschen“ besonderes Seelisches, nämlich besonderer emotio- naler Seelenaugenblick, hingegen „Fragen“ und „Befehlen“ besonderes Leisten darstellt, „Seelenaugenblick“ aber und „Wirken auf Grund Wollens“ nur unter einen „Begriffs-Hut“ gebracht werden können, wenn man mit dem zweideutigen Worte „Akt“ arbeitet, das einmal „Seelisches“, das andere Mal „tätiges Wirken“ bezeichnet. „Frage“ und „Befehl“ sind nun besondere Arten jenes Gegebenen, das wir „Anspruch“ nennen, so daß nach beliebter Meinung die sogenannten „Wunsch-Sätze“ mit den „Anspruch-Sätzen“ verwandt oder gar „An- spruch-Sätze“ nichts anderes als „Wunsch-Sätze“ wären — wenn sich nämlich überhaupt im Gegebenen von „Behauptungs-Sätzen“ ver- schiedene „Wunsch-Sätze“ auffinden ließen. Daß nun ein „An- spruch“ — eine „Frage“, ein „Befehl“, eine „Bitte“ usw. — keine Behauptung ist, also auch weder „Urteil“ noch „Lüge“ sein kann, wird häufig angenommen, denn — so etwa wird argumentiert — das „Von jemandem Etwas verlangen“ sei doch ein ganz anderes Ge- gebenes als das „Jemandem gegenüber Etwas behaupten“. Immer- hin zeigt die bisherige Lehre vom Gegebenen „Anspruch“ eine der- artige Fülle widersprechender Meinungen, daß es sich empfehlen dürfte, das Vorurteil „Anspruch ist nicht Behauptung“, mag es auch ein wahres Urteil sein, zunächst nicht zu fällen, und statt der bisherigen Lehre die Tatsachen sprechen zu lassen. Nehmen wir einmal als beispielmäßige Besonderheit des Gegebenen „Anspruch“ eine „Bitte“ und fragen wir, was denn eine „Bitte“ sei, so muß zunächst das zergliedert werden, was dem Bewußtsein des Bittenden gegeben ist. Daß nun „Bitten“ ein besonderes „Leisten“, also auch „tätiges Wirken“, nicht aber ein besonderes Seelisches darstellt, wird kaum von jemandem geleugnet werden, da jeder Bittende als Bittender Sätze bildet, Diesen Bitt-Sätzen aber wird eben, wie überhaupt allen Anspruch-Sätzen, der Behauptungs- charakter, also auch der Urteil- oder Lügecharakter abgesprochen, hin- gegen wird behauptet, daß solche Sätze „Wunsch-Sätze“ sind, weil jeder Bittende einen Wunsch ausdrückt. Wir haben aber bereits dar- gelegt, daß es „Wunsch-Sätze“ als von Behauptungs-Sätzen verschiedene Sätze nicht gibt, ein sogenannter „Wunsch-Satz“ vielmehr nur solches Bezeichnungskörperliches ist, mit dem besondere Behauptung, sei sie Urteil oder Lüge, aufgestellt werden kann. Daß ferner eine „Bitte“ als „Wunsch-Satz“ keineswegs bestimmt ist, ergibt sich aus der Tat- sache, daß es zahlreiche sogenannte „Wunsch-Sätze“ gibt, die doch keine „Bitten“, und überhaupt keine „Ansprüche“ darstellen, wie z. B. der Behauptungs-Satz „Ich wünsche, daß es morgen regnet“, „Ich habe den lebhaften Wunsch, daß A morgen kommt“, „Ich wünsche Ihnen ück“ usw. usw. Um nun aber zu bestimmen, was eine „Bitte“ eigent-