276 V. Kapitel. liebte Entgegensetzung von „Normen“ und „Naturgesetzen“ besteht also nur dann zu Recht, wenn man meint, daß sowohl die sogenannten „Normen“ als auch die sogenannten „Naturgesetze“ nichts Anderes sind als „Wirkensgesetze“ („Kausalgesetze“), d. h. „identisch begründete Wirkenszusammengehörigkeiten“, aber allerdings die sogenannten „Nor- men“ solche „identisch begründete Wirkenszusammengehörigkeiten“, in welchen sich als erste identische wirkende Bedingung ein besonderes identisches Wollen findet, hingegen die sogenannten „Naturgesetze“ solche „identisch begründete Wirkenszusammengehörigkeiten“, in welchen sich als erste identische wirkende Bedingung anderes besonderes iden- tisches Allgemeines findet. Klar ist nun, daß vielleicht ein göttliches Wesen, niemals aber ein Mensch eine „Richtlinie“ („Norm“) „setzen“ kann, wenn mit dem Worte „setzen“ ein „Bewirken“ gemeint ist, welche Meinung allerdings stets obwaltet, da man statt „Normen setzen“ gerne auch „Normen schaffen, stiften usw.“ sagt. „Richtlinie“ ist nämlich als „besondere identische Wirkenszusammengehörigkeit‘“ Etwas, das von Menschen nur „gefunden‘‘, „entdeckt‘, niemals aber „bewirkt“ werden kann, und niemand wird wohl bezweifeln, daß die Behauptung, jemand könne ein ‚„Wirkensgesetz‘“, überhaupt eine Zusammengehörigkeit be- wirken, ein sinnleerer Satz ist, um so mehr, als überhaupt niemals „Allgemeines‘‘, sondern nur die Zugehörigkeit besonderen Allgemeinens zu besonderem Einzelwesen gewirkt werden kann. Indes ist es nicht schwierig, zu bestimmen, was eigentlich —- wenn auch unklar — mit der Rede vom ‚Normen setzen, schaffen, stiften usw.‘ gemeint ist, Jeder nämlich, der einen „Handlungs-An- spruch‘ erhebt, zielt darauf, daß der Behauptungsadressat den „Fall“ einer besonderen „‚Richtlinie‘‘ („Norm“‘) verwirkliche, er zielt also zwar — was unmöglich ist — keineswegs darauf, eine „Richtlinie zu setzen‘‘, zu „Schaffen‘‘, zu „stiften‘‘, aber er zielt darauf, dem Anspruchadressaten identische Allgemeine aus jener Richtlinie zugehörig zu machen. Jeder, der einen ‚„Handlungs-Anspruch‘“ erhebt, will also Ander- Handeln besonderer Richtung, Ander-Handeln als Fall besonderer Richtlinie, welche wir „Richtlinie des Beanspruchten‘ nennen, als jene Richtlinie, deren ‚Fall‘ beansprucht wird. Da allerdings jeder Anspruch — z. B. der Anspruch, „ein Glas Wasser zu bringen‘ — auf verschiedene Weise erfüllt werden kann, müßte in genauer Rede nicht von einer „Richtlinie des Beanspruchten‘, sondern von einer „Gruppe hinsichtlich des Beanspruchten äquivalenter Richtlinien‘ gesprochen werden, da jener, der einen Handlungs- Anspruch erhebt, eigentlich nicht eine besondere Richtlinie des Ander- Verhaltens meint, sondern nur „Richtlinienstücke“ („‚Richtlinienfrag- mente*‘‘), welche von mehreren verschiedenen Richtlinien eingeschlossen sind, wobei es ihm gleichgültig ist, als „Fall“ welcher dieser „äqui-