284 V. Kapitel. oder ein „Abgeratenes‘“.‘ Im gewöhnlichen Sprachgebrauche meint man allerdings stets ‚„Geratenes‘‘ als „An geratenes‘‘ und sagt etwa, daß A dem B besonderes Unterlassen geraten habe, womit man meint, Jaß A dem B besonderes Handeln abgeraten hat. ; Von der bloßen „Lehre“ unterscheidet sich ein „Rat“ dadurch, daß mit einem Rate nicht überhaupt darauf gezielt wird, einem Anderen den Gedanken an solche Richtlinien zugehörig zu machen, durch deren Einhaltung der ihn betreffende Interessengesamtzustand verbessert oder verschlechtert würde, sondern lediglich darauf gezielt wird, dem Anderen solche Richtlinien mitzuteilen, deren Kenntnis für ihn wegen einer ihm zugehörigen Unlust (Vor-Unlust) bzw. Lust (Vor-Lust) „aktuell“ wichtig ist. Wohl aber kann der Ratgeber mit seinem Rate eine Behauptung verbinden, mit welcher er darauf zielt, im Anderen besondere Unlust bzw. Lust zu wecken. Sagt z. B. A zu B: „Wenn Sie nicht zurück- gehen, werden Sie überfahren‘‘, so zielt A mit den Worten ‚werden Sie überfahren‘ darauf, in B eine Unlust an einer bisher nicht be- merkten Gefahr zu wecken, während er ihm eben mit den Worten: „wenn Sie nicht zurückgehen‘ den jener Unlust entsprechenden Rat gibt. Statt: „Wenn Sie nicht zurückgehen, werden Sie überfahren‘‘ müßte vollständig gesagt werden: „Gegenwärtig besteht die Gefahr, daß Sie überfahren werden. Diese Gefahr können Sie durch Zurückgehen ausschalten.“ In solchem Falle liegt im Gegensatze zu einem „ein- fachen Rate“ ein „mit Lust bezw. Unlust-Werbung ver- bundener Rat“ vor, welcher immer dann gegeben wird, wenn jemand, der einem Anderen einen Rat geben will, meint, daß dem Anderen eine besondere Lust oder Unlust mangels besonderen Wissens noch nicht zugehört. Ein „urteilhafter Rat“ ist jener Rat, mit welchem der Ratgeber darauf zielt, dem Beratenen einen ihm selbst, dem Rat- geber, zugehörigen Gedanken zugehörig zu machen, ein „lügenhafter Rat“ liegt hingegen vor, wenn der Ratgeber darauf zielt, dem Be- ratenen einen ihm selbst, dem Ratgeber, nicht zugehörigen Gedanken zugehörig zu machen. Ein „guter Rat‘ liegt vor, wenn der mit dem Rate behauptete Gedanke „wahr“ ist, ein „schlechter Rat“ liegt vor, wenn der mit dem Rate behauptete Gedanke „unwahr“‘ ist, Ein „reiner Rat“ liegt vor, wenn jemand mit seinem Rate lediglich darauf zielt, daß dem Anderen ein „ratgemäßer Glaube‘ zugehörig werde, ein „auf Wollen- bzw. Wider-Wollen-Anregung gerichteter Rat“ liegt hingegen vor, wenn jemand mit seinem Rate darauf zielt, dem Anderen durch den „ratgemäßen Glauben‘ einen besonderen ‚,Verhalten-Seelenaugen- blick‘ zugehörig zu machen. Ein „auf Wollen- bzw. Wider-Wollen- Anregung gerichteter Rat“ ist entweder ein „uneigennütziger Rat“ oder ein „eigennütziger Rat“. Mit einem „uneigennützigen Rate‘“ wird darauf gezielt, daß der Andere den ihn betreffenden Interessen-