208 V. Kapitel, beziehungen gibt, in welchen die bezogene Seele keinesfalls „socius‘ ist, wie z. B. die Beziehung der „Gegnerschaft‘, der ‚‚beiderseitigen Freundschaft‘, der ‚„‚beiderseitigen Feindschaft‘“ usw. usw. Wenn man etwa auch Wissenschaften, zu deren Gewußtem solche reinen Seelen- beziehungen zählen, „Soziologie“ nennt, gebraucht man das Wort „socius“ im Sinne von „Seele, die mit anderer Seele in Beziehung steht‘, also in einem gegenüber dem ursprünglichen Sinne sehr veränderten Sinne. Wie schlimm es aber hinsichtlich der Klarheit des Wissenszieles mit dem ‚Soziologie‘ genannten Unternehmen steht, zeigt sich in dem Umstande, daß man unter dem Namen ‚Soziologie‘ nicht nur „reine Seelenbeziehungs - Wissenschaften‘ betreibt, sondern auch „Seelen- zusammenhangs-Wissenschaften‘‘ und überdies Wissenschaften von so- genannten ‚seelischen Beziehungen‘ eines „Menschen‘“ zu anderen Menschen. Dem Worte „seelische Beziehung‘‘ liegt aber der Irrtum zugrunde, daß „Seelisches‘“ eine Beziehung des Wissenden zum Ge- wußten darstellt, z. B. eine Beziehung der Seele A, welche an die Seele B denkt, und jener Seele B. Geht man nun von jenem Irrtum aus, der die Meinung enthält, daß z. B. eine Seele A mit einer anderen Seele B in Beziehung steht, obwohl nur die Seele A um die Seele B weiß, also nur Bestimmtheit der Seele A, nicht aber Bestimmtheit der Seele B vorliegt, daß also ein Einzelwesen nur durch ihm selbst Zugehöriges zu anderem Einzelwesen in Beziehung steht, so ergibt sich weiter die Meinung, daß überhaupt in jedem Falle, da eine Seele eine andere Seele bewußt hat, die sogenannte „seelische Beziehung‘‘ eine ‚soziale Beziehung‘“‘ sei, daß also eine „soziale Beziehung‘‘ schon an einer ‚für sich‘ betrachteten Seele festzustellen sei, ergibt sich also jene Meinung, welche insbesondere die ‚‚,Universalisten‘‘ brandmarken, wenn sie die ‚Individualisten‘‘ bekämpfen. Kann aber „Soziologie“ weder eine Wissen- schaft von allen Seelenbeziehungen sein, weil eben viele Seelenbezie- hungen keine „sozialen Beziehungen“ sind, noch eine Wissenschaft von besonderen „seelischen Beziehungen“, weil es „seelische Beziehungen“ über- haupt nicht gibt, so kann es eine mit Recht „Soziologie“ genannte Wissen- schaft eben nur geben, wenn ‚„Gemeinschaft‘ und ‚„Gesellschaft‘“ Be- ziehungen wären, welche durch besondere Allgemeine begründet werden, die sich als Besonderheiten derselben identischen Allgemeinen darstellen würden. Da dies aber, wie sich aus unseren Darlegungen ergibt, nicht der Fall ist, bleibt nichts übrig, als das Wort „Soziologie‘‘ überhaupt zu streichen, ebenso auch das Wort „Sozialwissenschaften‘“ und das Wort „Soziales“, weil alle diese mit schier unendlich vielfältigem Sinne gebrauchten und mißbrauchten Worte nur Anlaß zu steter Ge- dankenverwirrung geben. Es gibt „Gemeinschafts-Wissenschaften‘‘ und es gibt „Gesellschafts- Wissenschaften‘ und es gibt Wissenschaften von anderen reinen Seelenbeziehungen, z. B. „‚Gegnerschafts-Wissenschaften‘‘.