302000 V. Kapitel, nn Seelen zu finden wäre. In einem Vergesellschaftungs-Zusammenhange Äinden wir aber stets nur eine Kette von Wirkenseinheiten, deren erste sine Wirkenseinheit zwischen der Seele des Verhalten-Werbers und dessen Leibe, deren letzte eine Wirkenseinheit zwischen dem Leibe des Entsprechers und dessen Seele ist. Daß aber „Gesellschaft“ keine Zu- sammengehörigkeitsbeziehung ist, „zwei Seelen in Gesellschaft“ keine Einheit bilden, ergibt sich schon aus der einfachen Erwägung, daß in zahllosen Fällen ein „Verhalten-Werbung-Seelenaugenblick“ einer be- sonderen Seele in der Welt vorhanden ist, aber keineswegs ein diesem Seelenaugenblicke entsprechender Verhalten-Seelenaugenblick jenes, um dessen Verhalten geworben wurde. Nur wenn einem „Verhalten- Werbung-Seelenaugenblicke“ einer Seele ein Verhalten-Seelenaugenblick anderer Seele entspricht, stehen jene beiden Seelen „in Gesellschaft“, ınd wenn man dann etwa sagt, daß in jeder Gesellschaft zwei Seelen „zusammengehören“, so meint man nur, daß wir mit jeder „Gesellschaft“ um „zwei Seelen in besonderer Beziehung“ wissen. Alle Reden aber, welche da besagen, daß „Gesellschaft“ eine Zusammengehörigkeits- beziehung ist, daß der Mensch nur in Gesellschaft „leben könne“, daß „der Mensch ein geselliges Wesen sei“ usw. usw., beruhen entweder bloß auf der banalen Beobachtung, daß der Mensch gewöhnlich „nicht allein lebt“, sondern „mit anderen Menschen“, wobei man jedes „Bei- sammen-Sein“ von Menschen als „Gesellschaft“ deutet, oder stellen die Forderung dar, daß der Mensch bestimmte an ihn gerichtete Ansprüche erfülle, weil sonst jener Mensch selbst oder Etwas, was für den gerade Redenden ein „Wert“ ist, „zugrunde gehe“. Hat man dann einmal an- genommen, daß die Menschen „in Gesellschaft“ zusammengehören, so nennt man auch jene angebliche Einheit selbst „Gesellschaft“ und hat nun jene breite Dichtungs-Grundlage uewonnen, auf welcher eine Ein- heit oder gar ein Einzelwesen „Gesellschaft“ „handelt“ und „unterläßt“, „fordert“ und „billigt“, „über“ den einzelnen Menschen „schwebt“ oder in ihnen „webt“ und „lebt“, oder sich über sie „erhebt“ oder nach ihrem Wohle „strebt“ oder sonst Beliebiges unternimmt, das solcher Dichtungs- sestalt nach der Meinung des gerade Phantasierenden zukommt. Alle jene berühmten Gesellschafts-Dichtungen aber, die „Gesellschaft“ als eine ‚Einheit“, ein „Ganzes“, einen „Organismus“, als ein „Höheres“, und zwar letztlich immer als ein der Biologie nicht bekanntes, aber aus der Phantasie „gewaltige Realität“ schöpfendes „Lebewesen“ auftreten lassen, leben selbst nur von der — wahrscheinlich nicht immer unbeabsich- igten — Unklarheit des Wissens um das Gegebene „Gesellschaft“ und von dem mächtigen Bedürfnisse, politische Parteigrundsätze in pseudo- wissenschaftlicher Verpackung in die Welt zu senden. Wann immer wir aber in wissenschaftlicher Nüchternheit — und niemand bedarf der Nüchternheit in solchem Maße wie jener. der Gesellschafts- Wissenschaft