362 'VI. Kapitel. wurde, die Unterlassung „Nicht aus dem Zimmer gehen‘‘, und es liegt „Verschulden‘“ des B vor, wenn er sich gegenteilig verhält, also das Zimmer verläßt. Jede „Schuld-Lage‘ (jedes „Sollen‘“) wird also zu einer „Verschulden-Lage‘ dadurch, daß der Schuldner den an ihn gerichteten Schuld begründenden Anspruch enttäuscht, womit dann jenes Ereignis in der Welt vorhanden ist, welches kraft der „Schuld- Lage‘ die wirkende Bedingung für die „Soll-Folge-Verwirklichung“‘ abgibt. Die Rede „Jemanden beschuldigen‘“ hat auch nicht den Sinn: „durch Anspruch jemandes Schuld begründen“, sondern den Sinn: „behaupten, daß ein Schuldner den an ihn gerichteten Anspruch enttäuscht hat“. Hingegen hat die Rede „sich ent- schuldigen“ den Sinn, „behaupten, daß man einen Schuld begründenden Anspruch nicht enttäuscht habe“, allerdings aber auch den anderen Sinn, „nach einer seelischen Veränderung des Ansprucherfüllungs-Wahrers streben, durch welche trotz eingetretenen eigenen Verschuldens die Soll-Folge-Verwirklichung verhindert wird“‘. Zahlreiche Ansprüche werden nun derart erhoben, daß nicht das „Geschuldete“, sondern jenes „Verschulden“ bezeichnet wird, welches als wirkende Bedingung der „Schuld-Folge-Verwirklichung“ in Betracht kommt. Sagt etwa A zu B: „Wenn Sie um ihres Vorteiles willen eine fremde bewegliche Sache aus eines anderen Besitz, ohne dessen Ein- willigung, entziehen, werde ich Sie bestrafen“, so ist gemeint: „Ich be- anspruche von Ihnen, daß Sie es unterlassen, eine fremde bewegliche Sache aus eines anderen Besitz, ohne dessen Einwilligung, zu entziehen.“ Sagt ferner etwa A zu B: „Wenn Sie nicht eine von ihnen wahr- genommene Feuersbrunst anzeigen, werde ich Sie bestrafen‘, so ist gemeint: „Ich beanspruche von Ihnen, daß Sie eine wahrgenommene Feuersbrunst anzeigen‘. Daß nun bei Darlegung der verschiedenen „Verschulden-Formen‘‘ die Darlegung von besonderem Seelischen („Ab- sicht“ und ‚„Quasi-Absicht‘“, ‚,Wider-Absicht‘ und ‚„‚Quasi-Wider-Ab- sicht‘‘) eine entscheidende Rolle spielt, erklärt sich daraus, daß, wie wir bereits dargelegt haben, kein Anspruch auf Leibliches des An- spruchadressaten gerichtet ist, sondern eben auf besondere Verhalten- Seelenaugenblicke des Anspruchadressaten, so daß Ansprüche durch besondere Verhalten-Seelenaugenblicke erfüllt und durch gegenteilige Verhalten-Seelenaugenblicke ent- täuscht werden. Meint man aber, daß „Ansprucherfüllung‘“ und „Anspruchenttäuschung““ je besonderes Leibliches des Anspruchadres- saten darstellen, so muß man in Verlegenheit geraten, zu sagen, warum bei der Darlegung besonderer ‚‚Verschulden-Formen‘‘ Besonderheiten von Verhalten-Seelenaugenblicken eine entscheidende Rolle spielen. Übersieht man, daß jedes ‚Verschulden‘ einen besonderen Verhalten- Seelenaugenblick darstellt, so gelangt man ferner dazu, auch Gegebenes.