Die Macht, 363 das gar keinen Verhalten-Seelenaugenblick darstellt, vor allem die so- genannte „Fahrlässigkeit“, als eine „,Verschulden-Form““ anzusehen. Das Wort „Fahrlässigkeit‘“ bezeichnet nämlich keinen Verhalten-Seelenaugen- blick, sondern ein besonderem Verhalten-Seelenaugenblicke gegebenes gegenwärtiges Leibliches in einer in jenem Seelenaugenblicke nicht gewußten Beziehung als für besondere Wirkung in Betracht kom- mende Bedingung. Sagt man also etwa, daß jemand wegen „fahr- lässigen Verhaltens‘“ bestraft wurde, so kann man lediglich meinen, daß er wegen besonderen Verhaltens bestraft wurde und jemand die bezügliche Schuld-Lage deshalb durch Anspruch begründet hat, weil er durch das Gegenteil jenes Verhaltens den Eintritt besonderer Wir- kung verhindern wollte, man gibt also nur ein „Motiv‘‘ des „Schuld- Begründers‘‘ an, keineswegs aber bestimmt man mit dem Worte „fahr- lässig‘ einen besonderen Verhalten-Seelenaugenblick des Anspruch- adressaten als besondere Verschulden-Form, da eben der sich ‚,fahr- lässig‘‘ Verhaltende gar nicht weiß, daß er sich „fahrlässig“ verhält. Die Rede „Etwas verschulden“ hat eigentlich nur den Sinn: „Wir- kende Bedingung für die Verwirklichung der Folge des eigenen Sollens sein“, wird aber gewöhnlich gebraucht, um zu sagen, daß jemand durch sein Verschulden die Bedingung für eine vom Schuld-Begründer emo- tional ungünstig gedachte Wirkung abgegeben hat. Mit der Bestimmung solcher Bedingungs-Beziehung — Z. B. „Er hat den Tod des B verschuldet“ — ist jedoch das Wesen des Gegebenen „Verschulden“ gar nicht getroffen. Jeder Anspruch richtet sich nämlich auf besonderes Verhalten des Anspruchadressaten, welches allerdings meist, aber keineswegs immer, deshalb beansprucht wird, weil es als Bedingung für besondere, vom Ansprucherheber günstig emotional gedachte Wir- kung bzw. als Wider-Bedingung für besondere vom Ansprucherheber ungünstig emotional gedachte Wirkung‘ in Betracht kommt. „Ver- schulden“ liegt nun aber stets vor, wenn sich der Adressat eines Schuld begründenden Anspruches, also ein „Schuldner“, nicht in der „gesollten“ Weise verhält, gleichgültig, ob er durch sein Verschulden eine Bedingung bzw. Wider-Bedingung besonderer Wirkung abgegeben hat. Wohl aber kann etwa A zu B sagen: „Wenn Sie hier Steine werfen und jemand verletzt wird, gebe ich Ihnen eine Tracht Prügel!“ Durch Solchen Anspruch kann nun ein besonderes Sollen begründet werden, welches wir in Kürze ein „Haftungs-Sollen“ (eine „Haftungs- Schuld“) nennen wollen, so daß wir auch von „Haftungs-Sollen begründenden Ansprüchen“ sprechen können. Als „Haftungs- Sollen“ bezeichnen wir jede durch besonderen Anspruch begründete Lage, welche die Gesamtheit jener Allgemeinen enthält, die als grund- legende Bedingungen dafür in Betracht kommen, daß Erfahrung des Erfüllungs-Wahrers von besonderem Verhalten des Anspruchadressaten