A she 38 VI. Kapitel. sinnung‘ zu, sondern Unlust daran, daß seine spätere Erfahrung, ar habe die Sache nicht zurückgegeben, die wirkende Be- lingung dafür abgeben wird, daß ihm kraft „Gewissens“ ‚sittliche Reue“ zugehörig wird. Es kann also jemand nur dann auf Verhinderung späteren Gewinnes eigener „sittlicher Reue“ zielen, wenn er weiß, daß er in seinem gegenwärtigen Verhalten nicht ‚sittlich gesinnt“ ist. So sagt z. B. etwa A: „Ich habe zwar gegen- wärtig eigentlich keine Lust, das für B zu tun, aber ich will es doch tun, damit ich mir nicht vielleicht später Vorwürfe mache“ oder „Ich ärgere mich zwar, daß B durch mich diesen Vorteil erlangt, aber ich werde as doch tun, sonst könnte ich später Gewissensbisse haben“. „Verhalten aus Pflicht“, „Verhalten aus Furcht vor dem eigenen Gewissen“, „Ver- halten aus Angst vor Gewissensbissen“ ist eben niemals „Verhalten mit sittlicher Gesinnung“, also auch niemals „sittliches Verhalten“ und jas Gegebene „Sittlichk eit“ kann weder aus dem Gegebenen „Pflicht“, noch aus dem Gegebenen „Gewissen“ erklärt werden. Verwendet man den Gedanken an das Gegebene „Pflicht“ als Grundlage der Be- stimmung des Gegebenen „Sittlichkeit“, so gerät man immer wieder auf das Gebiet der „Gebotethik“ und kann die verfehlte Bestimmung nur dadurch scheinbar rechtfertigen, daß man die sogenannten „sitt- lichen Normen“ als „autonome Normen“ deutet, d. h. eigentlich als Ge- bote, die jemand an sich selbst richtet. So geheiligt also auch das Dogma ist, ohne „Pflicht“ gäbe es keine „Sittlichkeit“, hat man doch allen Anlaß, jenes Dogma ernstlich zu prüfen und zu erwägen, ob man nicht das Gegebene „Sittlichkeit“ verfälscht, wenn man es mit dem Gegebenen „Pflicht“ zusammenkoppelt. Nicht mit Unrecht sagt man ja auch, daß jeder, der mit sittlicher Gesinnung handelt, „sich selbst verleugnet“, „sich selbst überwindet“, „seine eigenen In- teressen hintanstellt“, „nur um des Anderen willen han- delt“ usw., mit welchen Reden der Sachverhalt gekennzeichnet wird, daß der mit sittlicher Gesinnung Handelnde lediglich nach solcher Lust strebt, deren Gegenständliches ein auf den Anderen bezogener Wert ist, in deren Gegenständlichem sich also eigenbezogene Werte nicht finden. Jener aber, der „aus Pflicht“ handelt, „verleugnet nicht sich selbst“, „überwindet nicht selbst“, „stellt nicht seine eigenen Interessen aintan“, handelt nicht bloß „um des Anderen willen“, da er nach solcher Lust strebt, deren Gegenständliches die Verhinderung der Verwirklichung eines auf die eigene Seele bezogenen IJn- wertes ist. Sagen wir aber, daß der Gedanke an „Pflicht“ keine Grundlage wahrer Bestimmung des Gegebenen „Sittlichkeit“ sein kann, so ist da- mit keineswegs gesagt, daß sich überhaupt ein Gegebenes „Pflicht“ nicht findet. daß also das Wort „Pflicht“ ein sinnleeres Wort ist. Es