7 Man könnte sagen, daß beiden die Idee des Universalismus zu- grunde liegt. In beiden Fällen sind die einzelnen Glieder nicht jedes für sich auf die letzten Werte und Prinzipien bezogen, wie es dem modernen Individualismus entspricht, „der jedem auf eigene Weise unmittelbaren Anteil am Sinne des Ganzen geben will“, also ohne Vermittlung eines Standes oder eines Amtes. Vielmehr bedarf es der „Vermittlung eines Ganzen, in dera die einzelnen Glieder äußerlich architektonisch verbunden sind und an dem sie nur in sehr abge- stufter, quantitativer Weise teilhaben‘“3. Der Grundgedanke eines Totum perfectionale, Gott, das durch „Ausgliederung“ ein Teilganzes aus dem anderen entläßt und dadurch die Welt schafft, führt also in soziologischer Betrachtung mit Notwendigkeit zu der ständischen Gliederung und damit auch zu der ständisch gegliederten Wirtschaft als der „richtigen“ Wirtschaft. Die verschiedenen Berufe, in denen die dem einzelnen angemessene, wirtschaftliche Tätigkeit ausgeübt wird, stehen in einer verschiedenen Entfernung zu Gott: sie bauen sich in Gestalt einer Pyramide auf, worin die ständische Verfassung zutage tritt. Die Achsendrehung, die Luther vornahm, bestand darin, daß er die Berufsidee demokrati- sierte, indem er die Notwendigkeit einer ständischen Schichtung leug- nete und jeden Beruf gleich nahe zu Gott erklärte. Hatte Thomas die Gesellschaft im Bilde einer Pyramide gesehen, so sah sie Luther in Gestalt einer Kugel, während dann Kalvin die Berufsidee völlig über Bord warf und jede Arbeit des einzelnen als Gott wohlgefällig anerkannte, sofern sie nur erfolgreich war. Das Bild, in dem er die Gesellschaft sah, 1äßt sich etwa in der Gestalt von Linien vorstellen, die von jedem einzelnen unmittelbar auf Gott zulaufen. Die „richtige‘“ Wirtschaft, wie sie die Scholastiker sahen, ruht als auf ihrer festesten Grundlage, auf dem Privateigentume, das wie folgt naturrechtlich begründet wird: „Manifestum est quod homo indiget, ad suam vitam aliis animalibus et plantis. Sed natura neque dimittit aliqguid imperfectum, neque facıt aliquid frustra. Ergo mani- festum est quod natura fecit animalia et plantas propter hominem. Sed quando aliquis acquirit id quod natura propter ipsum fecit, est 3 E. Tröltsch, a. a. O. S. 279. Vgl. auch S. 2976£,