76 meine Maxime solle ein allgemeines Gesetz werden können.“ Es ist oft und mit Recht demgegenüber geltend gemacht worden, daß ebensogut zum Gesetz erhoben werden könnte: „daß jedermann seinem Wesen gemäß (nach dem „Gesetz nach dem du angetreten‘) handeln solle.“ Aber ‚selbst die Richtigkeit des von Kant aufgestellten „obersten Gesetzes‘ zugegeben, so läßt ‘sich daraus keine einzige inhaltlich bestimmte „Pflicht“ oder „Maxime‘‘ ableiten. Man prüfe doch die vier Fälle von angeblich a priori begründeten „Pflichten“, die Kant selber aufzählt, und man‘ wird leicht einsehen, daß kein einziger den erhobenen Anforderungen entspricht: 1. Pflicht zur Erhaltung des Lebens. Dagegen: Pflicht zum Opfertode; 2. Pflicht, Geld zurück- zugeben. Dagegen: Liebe, Kommunismus. Denn die Pflicht ist selbst- verständlich nicht ein allgemeines a priori (worauf doch die Beweis- führung abzielt), wenn sie sich etwa als „evident‘‘ (notwendig) im Rahmen eines bestimmten Wirtschaftssystems erweisen ließe; sie wäre dann höchstens ein historisches a priori; 3. Pflicht, einen nützlichen (!) Beruf auszuüben: Was heißt „nützlich“? Übt der Bettelmönch einen „nützlichen“ Beruf aus? Oder der reiche Samm- ler? Oder die „Dame“? Oder die Dirne? Unmöglich, die „Nützlich- keit“ a priori zu bestimmen, also „evident‘ zu machen; 4. Pflicht zur Wohltätigkeit. Wie steht es mit den Warnungen, die heute die öffentlichen Stellen erlassen, keinem Bettler etwas zu geben? Wie mit der Forderung der Sozialisten, die private Wohltätigkeit durch die staatliche Fürsorge überflüssig zu machen? Bei seiner Aufzählung der Bestandteile des Naturrechts macht Kant sich selbst den Einwurf, daß das alles keine a-priori-Begriffe seien, sondern „ganz empirisch zu sein scheinen“ und sucht den Ein- wand durch eine Geldtheorie — deren a-priori (!)-Substarniz Gold- und Silberwährung sind — ganz ergebnislos zu entkräften, indem er eine Erklärung des Geldes (nach Adam Smith!) gibt, die „nur auf die Form der wechselseitigen Leistungen im belästigten Vertrage sieht (und von diesem als Materie abstrahiert) und so auf den Rechts- begriff in der Umsetzung des Mein und Dein überhaupt“, ohne zu bedenken, daß dies alles schon nicht mehr a priori ist. Noch viel weniger ist Kants öffentliches Recht sachlich a priori begründet,